Corona-Befragung

Mitgliederbefragung des Bundes Deutscher Architekten BDA im März / April 2020 zu den Effekten der Corona-Pandemie und Covid-19

Anlass der Befragung

Die zunehmende Ausbreitung des Coronavirus in Europa ab Mitte März 2020 führte in der Folge der Eindämmungsversuche zu einer Vermeidung persönlicher Treffen, zu Absagen von Veranstaltungen und zu veränderten Arbeitsabläufen. Mit dem Beginn und der Verschärfung der Ausgangsbeschränkungen sowie abgeriegelten innereuropäischen Grenzen wurde klar, dass damit Effekte auf die planenden Berufe, die Bauwirtschaft und letztendlich die Immobilienwirtschaft verbunden sind.
In den ersten Tagen der Ausgangsbeschränkungen ging es vor allem darum, die Mitarbeiter im Homeoffice arbeiten zu lassen. Kurze Zeit später begannen sich Abläufe auf Baustellen zu verlangsamen. Solche Informationen stammten aus stetigem telefonischem Austausch oder dem E-Mail-Verkehr mit den Mitgliedern des BDA. Eine Mitgliederbefragung wurde notwendig, um einen möglichst umfangreichen und strukturierten Überblick zur Lage in den Architekturbüros zu erlangen. Mit der Befragung sollten frühzeitig einsetzende Veränderungen erkannt und benannt werden. Auch soll durch eine regelmäßige Wiederholung der Befragung eine mögliche Veränderung bzw. Verschärfung der Situation gemessen werden.

Umsetzung und Methodik

Die Fragen ergaben sich aus dem Austausch mit Mitgliedern und Kollegen, und es wurde entschieden, sie offen zu stellen, um die Vielzahl der Probleme erfassen zu können. Damit gestaltet sich die Auswertung zwar komplexer und langwieriger, aber mit diesem explorativen Vorgehen war der Versuch verbunden, die Situation bestmöglich abzubilden.
Eine zusätzliche Herausforderung ist die Interpretation der Ergebnisse. Die planenden Berufe spüren veränderte Bedingungen auf dem Markt durch den typischen Verlauf von Beauftragung, Projektbearbeitung bis zur Honorierung verzögert. Gegenüber anderen Branchen, zum Beispiel Gastronomie, die augenblicklich schließen mussten, läuft die Arbeit erst einmal weiter. Dieser Nachhalleffekt bedeutet, dass eventuelle Hilfen „verspätet“ nötig sind; deshalb ist die Politik für diese Berufsgruppen zu sensibilisieren.

Zielgruppe und Reichweite

Die Befragung der Mitglieder im Bund Deutscher Architekten BDA begann am 27. März 2020. Mit einer E-Mail wurde das Anliegen erläutert und ein Link zum Online-Fragebogen versandt. Es wurden ordentliche Mitglieder im BDA mit einem Alter bis 70 Jahre angeschrieben, um die Arbeitssituation in den Architekturbüros abzubilden. Die Grundgesamtheit liegt damit bei etwa 3.200 Mitgliedern. Insgesamt umfasst die Befragung neun Fragen aus den Bereichen: Rahmenbedingungen für die Büros, Baustelle, Logistik, Behörden und Finanzen. Darüber hinaus wurde um drei Hinweise sowie Vorschläge gebeten. Der Rücklauf liegt derzeit bei rund 800 Antworten; wegen zahlreicher Büro-Partnerschaften ließ sich demzufolge etwa die Hälfte aller aktiven Büros erreichen.

Ergebnisse

Frage 1: Konnten Sie Ihre Büroabläufe umstrukturieren und damit Ihr Büro arbeitsfähig halten oder haben Sie dabei Probleme?

Die Befragungsergebnisse zeigen deutlich, dass die meisten Büros ihre Arbeit ab Ende März 2020 umstrukturieren mussten. Über 80 Prozent der Mitglieder gaben an, dass eine Umstrukturierung notwendig war. In 19 Prozent der Fälle erforderte die Arbeit im Büro keine Umstrukturierungen. Oft handelt es sich dabei um kleine Büros, deren Tätigkeit grundsätzlich von einer hohen Flexibilität geprägt ist.

Im Zuge der Umstrukturierung ergaben sich verschiedene Schwierigkeiten, die sich in den folgenden Kategorien zusammenfassen lassen:
1. Homeoffice (Effizienz)
2. technische Voraussetzung (Internetqualität, Kosten, Anschaffung Hard- und Software)
3. Kommunikation (Bauherren, Behörden, Baustellenbetreuung)
4. Sonstiges (Kinderbetreuung, Krankenstand)

Die Arbeit im Homeoffice ging in vielen Fällen mit einer abnehmenden Effizienz der Mitarbeiter einher. Das liegt oft in schwachen Internetverbindungen und Problemen beim Serverzugriff oder bei Lizenzverfügbarkeiten begründet. Mit der Umstellung sind teilweise hohe Kosten entstanden. Darüber hinaus behindert die Notwendigkeit einer Kinderbetreuung eine kontinuierliche Arbeit. Außerdem fehlt der persönliche Kontakt mit Kollegen, um auf kurzem Weg in den Austausch treten zu können. Der Organisationsaufand für eine gute Kommunikation hat zugenommen, und eine Abstimmung mit externen Partnern ist schwierig.

Frage 2: Sehen Sie sich derzeit mit finanziellen Auswirkungen durch die Krise konfrontiert?

Eine große Gruppe von Architektinnen und Architekten gibt an, derzeit (noch) keine finanziellen Auswirkungen durch die aktuelle Situation zu spüren. Allerdings geben viele der Befragten (etwa ein Drittel) zu bedenken, dass mit zunehmender Dauer des Lockdowns auch das finanzielle Risiko für die planenden Berufe zunimmt. In rund einem Viertel der Antworten wird von bereits einsetzenden Auswirkungen berichtet, die überwiegend mit Schwierigkeiten der Bauherren zusammenhingen. Darunter sind konkret fehlende Folgeprojekte, finanzielle Schwierigkeiten der Bauherren oder Verzögerungen in den Behörden zusammengefasst.

Frage 3: Wie schätzen Sie die Lage der Baustellenlogistik und die Bedingungen für die Zulieferung von Materialien ein?

Die Beobachtungen und Erfahrungen zu den Bedingungen der Logistik und Zulieferung sind unterschiedlich. Etwas mehr als die Hälfte aller befragten Büros gibt an, dass es bisher gut läuft. Gleichzeitig geht aus den Antworten hervor, dass sich die Situation bei einem anhaltenden Lockdown verschärfen kann. Immerhin ein Drittel (283 Nennungen) berichtet von akuten Ausfällen und Engpässen. Lediglich sechs Prozent der Antworten verweisen auf eine solide Lage und dass keine Effekte erkennbar sind. Aufgrund fehlender persönlicher Erfahrungen kann in sieben Prozent der Fälle keine differenzierte Aussage getroffen werden.

Frage 4: Wie schätzen Sie die personelle Situation auf den Baustellen ein?

Die Lage des Baustellenbetriebs hängt wesentlich von der personellen Situation einzelner Gewerke ab. Derzeit bestehen die Herausforderungen darin, einerseits eine ausreichende Anzahl Mitarbeiter zur Verfügung zu haben und andererseits die Bauabläufe wegen notwendiger Hygienevorschriften umzustrukturieren. Die Antworten zeigen ein zweigeteiltes Bild, und die Einschätzungen lassen sich in die Gruppen „tendenziell gut“ und „tendenziell schwierig“ unterscheiden. Nur drei Prozent der Befragten bewerten die Situation als gut und unkritisch. In gut einem Drittel der Antworten wird davon berichtet, dass die personelle Situation momentan noch gut ist und die Baustellen daher weiterlaufen. Allerdings benennen fast die Hälfte aller Befragten diverse Schwierigkeiten, die im Personalmangel auf den Baustellen begründet sind. Hierzu zählen bespielhaft eine komplizierte Erreichbarkeit von Bauleitern, fehlende Arbeitskräfte von Subunternehmen aus dem europäischen Ausland und geringe Kapazitäten bei deutschen Handwerkern (Kinderbetreuung, Abstandsregeln). Auch werden die Bauabläufe durch die notwendigen Hygienevorschriften behindert. In gut zehn Prozent der Fälle kann keine differenzierte Aussage getroffen werden.

Frage 5: Inwiefern haben sich Abstimmungen mit Bauherren verändert, und welche Konsequenzen resultieren daraus?

Die Erfahrungen in der Abstimmung mit den Bauherren sind unterschiedlich. Etwas mehr als 10 Prozent der Befragten stellen keine Veränderungen fest. Dagegen verweisen fast die Hälfte aller Befragten auf eine Umstellung der Kommunikation mit digitalen Medien und Telefon. Die Abstimmungen lassen sich dadurch weiterhin fortsetzen. Das funktioniert allerdings nicht überall gleich gut; etwa zehn Prozent der Befragten geben an, dass keine Abstimmung mehr möglich sei. Ein zentraler Grund scheint eine mangelhafte technische Infrastruktur bei den Behörden zu sein. Im Zuge einer sinkenden Nachfrage und von Auftragsstornierungen ist teilweise auch keine Abstimmung mehr möglich. Fast ein Viertel gibt an, dass es wegen Verzögerungen zu Mehraufwand und damit zu fehlenden Einnahmen bei steigenden Kosten kommt.

Frage 6: Welche Änderungen der Projektpläne sind notwendig?

Hinsichtlich der laufenden oder beginnenden Planungen ergibt die Umfrage ein klares Bild. Über zwei Drittel der Befragten geht davon aus, dass es in verschiedenen Bereichen zu Verzögerungen kommt. Dieser zeitliche Verzug führt zu Verlängerungen in den Projektabläufen. Es werden gleichzeitig Befürchtungen geäußert, dass der damit verbundene Mehraufwand und steigende Kosten nicht oder nicht ausreichend kompensiert werden. Dies deutet auf die Gefahr zeitlich verschobener finanzieller Schwierigkeiten der Architekturbüros hin, da derzeit die Arbeit und damit die Kosten weiterlaufen, aber erzielbare Honorareinahmen nicht auskömmlich sein werden bzw. sich zeitlich deutlich verzögern werden. Bei der Auswertung ist auffällig, dass auch im Zusammenhang mit dieser Frage auf fehlende Folgeaufträge hingewiesen wird. Dagegen geht rund ein Viertel der Befragten davon aus, dass sich keine Änderungen ergeben oder diese derzeit nicht absehbar sind.
Zum Teil ergaben sich auch positive Effekte, da bestimmte Baustellen aufgrund des fehlenden Publikumsverkehrs, zum Beispiel bei Schul- und Kitabaustellen wegen deren Schließung, einfacher und zeitlich entspannter zu koordinieren sind.

Frage 7: Wie funktioniert die Arbeit in den Genehmigungsbehörden?

Die Frage zielte auf die Arbeitsfähigkeit in den Behörden. Mit vielen Verwaltungen funktioniert die Zusammenarbeit nach wie vor gut. Zu dieser Einschätzung kommen etwa ein Viertel der Befragten. Die Verwaltungsmitarbeiter sind erreichbar (Telefon und E-Mail), und es gibt weiterhin Termine oder eine zügige Abstimmung per E-Mail. Fast zwei Drittel der Antworten beschreiben die Zusammenarbeit mit den Behörden als (zunehmend) schwierig. Der Austausch ist komplizierter geworden. Gut zehn Prozent der Ämter haben gänzlich geschlossen, weshalb eine Zusammenarbeit dort derzeit nicht stattfindet.

Frage 8: Inwieweit lässt sich bereits abschätzen, ob Sie finanzielle Hilfen in Anspruch nehmen?

Eine große Gruppe (40 Prozent) der Befragten versucht derzeit, die Arbeit im Büro ohne finanzielle Hilfen fortzusetzen. Gleichzeitig wird in fast jeder fünften Antwort darauf verwiesen, dass die gegenwärtige Situation schwer abzuschätzen ist. Bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt schätzen 28 Prozent, dass finanzielle Hilfen zukünftig nötig sein werden. In diesem Zusammenhang muss darauf verwiesen werden, dass es mit 121 Nennungen auch an dieser Stelle zahlreiche Hinweise auf die zeitversetzten Auswirkungen bei Architekten gibt. Die Sorge besteht darin, dass es durch diesen Nachhalleffekt zu einem späteren Zeitpunkt keine adäquaten Hilfen gibt.
Bei einer differenzierten Betrachtung der aus der Kategorie „Finanzielle Hilfen sind nötig“ nach Bürogröße verdeutlicht sich, dass etwa zwei Drittel der Antworten von Büros mit einer Größe bis zehn Mitarbeiter gegeben werden. Mit steigender Bürogröße scheint dieser Bedarf abzunehmen.

Schlussfolgerungen und Fazit

Eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine kontinuierliche Arbeit in den Architekturbüros ist ein beständiger Betrieb auf den Baustellen. Dafür ist es wichtig, die Versorgung mit Materialien und Bauteilen abzusichern. Außerdem ist die personelle Situation bei Handwerkern, Bauleitern und Auftraggebern entscheidend, denn nur durch einen regelmäßigen Austausch und die zügige Ausführung lassen sich teure Verzögerungen vermeiden. Damit sich eine möglichst reibungslose Planung laufender Projekte und die Realisierung von Folgeprojekten umsetzen lässt, ist es wichtig, mit öffentlichen und privaten Bauherren über deren finanzielle Situation sowie technische Ausstattung zu sprechen. Wir werden dazu den Austausch mit kommunalen Spitzenverbänden und Verbänden aus der Immobilienbranche intensivieren.
Ähnlich wie in der Kreativwirtschaft müssen wir die Bundespolitik auf den Nachhalleffekt unserer Branche hinweisen. Momentan sind die Auftragsbücher aus der Wachstumsphase voll. Dass diese Situation anhält, hängt wesentlich von Folgeprojekten der Privatwirtschaft und Investitionen der öffentlichen Bauherren ab. Sollten diese Aufträge nicht in vollem Umfang einsetzen, müssen weiterhin Hilfen abrufbar sein.

Weiteres Vorgehen

Wir planen eine weitere Befragung unserer Mitglieder, um die Entwicklung der Lage in den Architekturbüros erfassen zu können. Des Weiteren arbeiten wir in engem Austausch mit dem BFB und der BAK zusammen, die im Austausch mit dem Bundeswirtschaftsministerium stehen.

 

Berlin, 23. April 2020

Bund Deutscher Architekten BDA
Bundesverband
Dr. Nico Grunze
grunze@bda-bund.de