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Mehr Kreativität wagen!

13. August 2008

BDA-Symposium zu neuen Wohnformen im Stadtumbau Ost

„Diva in Grau“ war der Kosename für die Altstadt von Halle/Saale vor der Wende. Im Krieg unzerstört und trotzdem kaputt. Dafür eine übergroße Neustadt mit zweckdienlichen Wohnungsbauten für den optimistischen Bürger. Dies ist das Bewährungsfeld für den Stadtumbau Ost, der nun im siebten Jahr, vieles erreicht hat und dennoch eine Schärfung seines Profils benötigt.

Der BDA nahm dies zum Anlass für ein Symposium in Halle im Mai 2008, um über die künftige Ausrichtung des Förderprogramms zu diskutieren – insbesondere über Strategien zur Integration zeitgemäßer urbaner Wohnformen in den Stadtumbau. Die Notwendigkeit für diese Debatte ist offensichtlich: Die Bevölkerung wird nicht nur weniger und älter, sondern Ostdeutschland verliert zusätzlich durch Abwanderung die Träger seiner künftigen Entwicklung: 50.000 Menschen verlassen jährlich die neuen Länder, vorwiegend die junge und qualifizierte Generation.

„Für ein Umsteuern sind wirtschaftliche Impulse gefragt. Folgen muss eine Perspektive für die Lebens- und Wohnqualität“, sagte zu Beginn des Symposiums BDA-Präsident Michael Frielinghaus. Denn der Rückbau allein führt nicht zu lebenswerten Städten als Basis für einen erfolgreichen Aufbau Ost. Entscheidend hierfür wird es sein, mit einem differenzierten und qualitativ hochwertigen Wohnungsangebot vitale und lebendige Innenstädte zu schaffen. Sachsen-Anhalts Bauminister Karl-Heinz Daehre betonte, dass Wohnungsgenossenschaften und Kommunen die finanzielle Förderung des Stadtumbaus als einzigartige Chance begreifen müssen – „eine zweite werden wir für den Umbau unserer Städte nicht bekommen.“

Welche Wohnformen künftig nachgefragt werden, darüber referierte Peter Ebner, der in München einen Lehrstuhl für Wohnungsbau inne hat. Eindrucksvoll zeigte er, dass Standardlösungen auf dem Wohnungsmarkt keine Nachfrage mehr erzielen: Käufer und Mieter wünschen individuelle Wohnungsgrößen, eine differenzierte Ausstattung und eine hochwertige Wohnatmosphäre.

Diese veränderten Wohnansprüche werden Kommunen und Wohnungswirtschaft vor neue Herausforderungen stellen: Dem Leerstand, der sich auf Alt- wie Neubaubestände, auf Stadtkerne wie auf randstädtische Gebiete verteilt, steht ein fehlendes Angebot an bedarfsgerechten Wohnformen gegenüber: Jochem Lunebach als Leiter der Stadtentwicklung in Halle konstatiert, dass in seiner Stadt die Nachfrage von Singles und Senioren sowie Haushalten mit niedrigem Einkommen nach geeigneten Wohnungen nicht befriedigt werden kann. Die Wohnungspolitik zielt daher darauf ab, Wohnraum in der Innenstadt und im denkmalgeschützten Altbaubestand zu qualifizieren und preiswerte Mietwohnungen in allen Quartieren zu erhalten. Eingebettet sind dies Ansätze in eine mit allen Ressorts erstellten Stadtentwicklungsstrategie, die sich an dem Modell der europäischen Stadt mit einer verdichteten Struktur orientiert: Der Abriss mit Stadtumbaumitteln wird ausschließlich in Plattenbausiedlungen durchgeführt und so der Bedarf an innerstädtischen Wohnungen geweckt. Die Wohneigentumsbildung der Kernstadt wird forciert, um die Bindung an die Stadt zu intensivieren.

Stefan Rettich von Karo-Architekten ergänzte, dass eine nachhaltige Wohnperspektive weitergehend die Qualifizierung der öffentlichen Räume und die Bildung von Gemeinschaften voraussetzt. Das dies trotz begrenzter Mitteln mit Kreativität erreichbar ist, stellte er mit der Aktion „Lesezeichen“ in Magdeburg unter Beweis: Eine temporär eingerichtete Freiluft-Bürgerbibliothek entfaltet als kultureller Baustein eine Signalwirkung für die Anwohner, um als Gemeinschaft ein vernachlässigtes Quartier baulich wie sozial aufzuwerten.

Die von Stefan Rettich aufgeworfene Frage, wie die Wohnungsfrage gelöst wird, wenn die Wohnungsfrage gelöst ist, bestimmte die Diskussionsrunde: Denn ein Großteil der sanierten Plattenbausiedlungen wird in 20 bis 30 Jahren nicht mehr nachgefragt und determiniert schon jetzt den künftigen Handlungsbedarf. Daher bedarf der Stadtumbau eines Perspektivenwechsels, betonten Politiker wie Planer unisono. Der Dresdner Stadtplaner Herrmann Sträb plädierte dafür, dass Wohnungsgesellschaften ihr Portfolio mit innerstädtischen Wohnungen erweitern sollten, um so an der Stadtverdichtung zu partizipieren. In einer klugen Mischung kann dann der Rückbau von strukturellem Leerstand fortgeführt werden. Ulrich Hatzfeld, der für Stadtentwicklung im Bundesbauministerium verantwortliche Unterabteilungsleiter, befürwortete eine stärkere Einbindung der privaten Wohnungseigentümer – als die größte Vermietergruppe – in den Stadtumbauprozess. In Form von Immobilienstandortgemeinschaften können innerstädtische Quartiere von institutionellen und privaten Eigentümer gemeinschaftlich entwickelt werden. Hier sind mehr Kreativität und Innovationen gefordert, um Förderprogramme darauf verstärkt auszurichten.

Dass nicht nur die Diva Halle ihren städtischen Charme dank eines engagierten Umbauprozesses wiedererlangt hat, davon zeugten die vorgestellten Beispiele: Die Stadthäuser von Thoralf Niehus sind nicht nur gut gestaltet, sondern beleben auch die Innenstadt von Leipzig mit familienfreundlichem Wohnen. Wie in Verbindung mit neuen Wohnhäusern eine Aufwertung des Altbaubestandes erreicht werden kann, darüber berichtete die Architektin Antje Osterwold mit Projekten aus Bad Langensalza und Eisenach. Mit diesen neuen Perspektiven kann der Stadtumbau Ost künftig eine optimistische Ausstrahlung erreichen.