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Neues Leben in der Stadt

7. Oktober 2008

Ende Oktober fand im Dortmunder Museum für Kunst und Kulturgeschichte das Symposium „Neues Leben in der Stadt – Wohnkonzepte und Wohnformen für morgen“ statt.

Organisiert wurde die Veranstaltung vom BDA-Bundesverband in Zusammenarbeit mit dem BDA Dortmund, unterstützt vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS). Somit steht diese Veranstaltung modellhaft für eine gute Kooperation der unterschiedlichen Ebenen des BDA. Mit Karin Roth, der parlamentarischen Staatssekretärin beim BMVBS, und Sigrid Koeppinghoff, Abteilungsleiterin Wohnungsbau im Ministerium für Bauen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen, leiteten zwei Fachfrauen das Symposium ein.
In einem ebenso eloquenten wie schlüssigen Vortrag berichtete der Berliner Soziologe Hartmut Häußermann über die gemeinschaftlichen Bedürfnisse der individualisierten Gesellschaft. Der Professor der Humboldt-Universität trug zwar nichts vor, was nicht im aktuellen Diskurs an anderer Stelle schon genannt worden wäre, doch hat man all die Sachverhalte rund um den demografischen Wandel, die Migrationsbewegungen oder Gentrifizierungsprozesse selten so klar und prägnant vernommen wie von Häußermann formuliert.

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Ergänzt wurde die Sicht des Soziologen durch die eines Architekten: Walter Stamm-Teske, Professor im Masterstudiengang StadtArchitektur an der Bauhaus-Universität Weimar, bekannte sich dabei gleich zu Anfang als „…süchtig – süchtig nach Stadt!“ Er legte dar, was in seinen Augen „Stadt“ ist. Hierbei zeichnete sich ein klares Bild von einer Stadt ab, in der die Trennung der Funktionen aufgehoben ist, Straßen- und Platzräume durch Architekturen klar konturiert werden, Ladenlokale sich in der Erdgeschossebene befinden und in den Obergeschossen Wohnformen der unterschiedlichsten Art aufgehoben sind.
Wie ein neues Leben in der Stadt auch für Menschen mit geringen finanziellen Mitteln realisierbar ist, wie Bürger den Weg „Zurück in die Stadt“ finden können, legte Rainer Steffens dar. Mit seinem Büro steffens meyer franck ist der Lübecker BDA-Architekt in den letzten Jahren zu einem Spezialisten für das Planen mit Baugruppen geworden. Anhand einiger Projekte des Büros wie dem Aegidienhof in Lübeck stellt Steffens eindrücklich die Potentiale einer Arbeit mit Baugruppen vor. So lassen sich Projekte realisieren, die für Menschen jeglicher Couleur ein Leben in der Stadt ermöglichen. Zugleich entstehen Architekturen, die sich ganz in den Dienst des städtischen Raums stellen.
Gleiches wusste im Anschluss daran Tom Kaden aus Berlin zu berichten: Er zeigte mit „e3“ ein Projekt aus der Feder seines Büros Kaden+Klingbeil Architekten, das ebenfalls mit einer Baugruppe realisiert wurde.
Entstanden ist ein städtisches Wohnhaus im besten Sinne: Die Architekten bezogen mit ihrem Büro das Erdgeschoss, darüber entstanden auf sechs weiteren Geschossen individuelle Grundrisse. Bemerkenswert ist
das Projekt darüber hinaus, weil es der erste in Deutschland realisierte Holzbau mit einer solch hohen Geschosszahl ist.
Bernd Streitberger, Stadtplanungsdezernent der Stadt Köln, konnte mit seinem Bericht aus der Domstadt kaum Erquickliches beitragen. Ein wenig zerknirscht gestand er ein: „Experimentellen Wohnungsbau gibt es in Köln nicht.“ Am Beispiel der bekannten Stadtentwicklungsgebiete Kölns – wie dem vieldiskutierten Rheinauhafen – legte er dennoch interessante Meinungen an den Tag. Er forderte für eine funktionierende Stadt eine „Abwesenheit von Planung“ von Seiten der Verwaltung ein und gab zu bedenken, dass sich vieles nicht fördern lasse, aber von der Stadt zugelassen werden müsse, sobald sich eine andere Nutzung als die vorgesehene abzeichne.
Eine Vision, was die Stadt zulassen sollte, aber zusätzlich aktiv fördern sollte, ist das „Seniorenparadies Neustadt 2030“ des Kölner Architekten Stephan Goerner. Ihm schwebt statt eines einzelnen Mehrgenerationenhauses ein ganzes Mehrgenerationenquartier vor. Angesiedelt in der Kölner Neustadt, die sich in der bekannten Stübben´schen Planung als Ring um die Altstadt legt, schwebt Goerner ein altengerechtes Wohnen vor, in der sich alte Menschen aktiv an der städtischen Gesellschaft beteiligen können, statt von ihr ausgeschlossen zu werden: eine Vorstellung, die im Hinblick der Überalterung unserer Gesellschaft durchaus interessant ist.
Den Abschluss dieser sonst sehr guten und informativen Veranstaltung bildete die Vorstellung des Entwicklungsgebiets „Phoenixsee“ in Dortmund – ein „Standort für die Zukunft“, so der Dortmunder Planungsdezernent Ullrich Sierau. Doch die Zukunft, die ihm und dem Geschäftsführer der Phoenixsee Entwicklungs-GmbH, Ludger Schürholz, vorschwebt, ist eine, die mit einem „Neuen Leben in der Stadt“ wenig gemein hat: Statt verdichteter städtischer Strukturen finden sich auf dem Bebauungsplan rund um einen künstlichen See in Dortmund-Hörde viele kleine rote Kästchen auf grünen Flächen, die auf einen Traum vom freistehenden Einfamilienhaus mit Seeblick in Bestlage schließen lassen. Herkömmliches, ja womöglich Überholtes aus der Bausparwerbung, die mit einer mutigen Vision und der Rückkehr des Wohnens in die Stadt nichts zu tun hat. Zwar wies Sierau, vom Dortmunder BDA Architekten Richard Schmalöer auf diesen Missstand angesprochen, auf den derzeitigen Stand der Planung als symbolischen Zwischenschritt hin, der für zukünftige Varianten noch alles Vorstellbare offenlassen würde. Die begründeten Zweifel aller Anwesenden konnten jedoch weder Sierau noch Schürholz ausräumen. Die BDA-Veranstaltung indes hat aufgezeigt, in welche Richtung eine städtische Evolution gehen sollte und in welche nicht.