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Ideale weiterbauen!

11. Dezember 2009

257 Jahre Lebenserfahrung brachten sie gemeinsam auf das Podium im Deutschen Architektur Zentrum. Doch nicht etwa mit sentimentalem Pathos, sondern mit beeindruckender Authentizität sprachen Christian Farenholtz, Hans Konrad und Friedrich Spengelin als Vertreter jener Architektengeneration der Nachkriegsmoderne.

„Die alten gewohnten Straßenbilder waren weg, damit war aber auch die Chance auf etwas Neues und Besseres gegeben!“, beschrieb Architekt Hans Konrad seine Ausgangsposition im zerstörten Dresden. Mit neuen Plänen und mit einer neuen Philosophie trat auch Christian Farenholtz seinen ersten Auftrag 1954 im Planungsamt Hamburg an. Licht, Luft und Raum für alle im Sinne eines neuen Gemeinwesens waren das Ziel, doch ebenso die Deckung des dringenden Wohnbedarfs. Die darauf folgende teils radikale Abräumung der „alten Stadt“ wird bis heute immer wieder scharf kritisiert. „Das Leermachen wurde in der Geschichtsschreibung zur Zerstörung, aber wir wollten eine bessere Stadt für alle!“, erläuterte Hans Konrad den Umgang der Akteure mit Stadterhaltung und Stadtzerstörung. Den stets vorgebrachten Vorwurf der Geschichtsvergessenheit wollte auch Christian Farenholzt nicht gelten lassen und erklärte: „Die europäische Stadt mit ihrer größtenteils banalen Architektur, die wollten wir in der Tat zerstören!“. Denn Wohnen und Leben in den alten und als eng empfundenen Verhältnissen wollte niemand mehr. Der Erhalt wertvoller kulturhistorischer Substanz hingegen war stets ein Anliegen der Ost- wie Westmoderne, hierin waren sich die Referenten einig.

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Gerade die Kritik der Geschichtslosigkeit formt meist ein einseitiges Bild der „zweiten Moderne“, das dem humanistischen und kulturellen Anspruch der umfassend denkenden Protagonisten jedoch nicht gerecht wird. „Es gab nicht nur eine Moderne, es gab viele Modernen unterschiedlicher Art“, differenzierte daher Architekt und Stadtplaner Friedrich Spengelin die vielschichtigen Ansätze für soziale Gerechtigkeit im Wohnen und Leben.

Trotz des Idealismus, durch ein neues Verständnis von Architektur und Stadt gesellschaftliche Utopien verwirklichen zu können, gilt das damalige Leitbild der grünen und autogerechten Stadt heute als gescheitert. „Die Grünflächen sollten zum Zentrum der Stadt werden, doch das war aus heutiger Sicht eine Illusion!“, gab Christian Farenholzt zu. Städtebaulich geplante Anlagen solcher Dimension funktionierten nur durch ein ständiges Überprüfen, Abwägen und Anpassen in soziologischer, ökologischer sowie ökonomischer Hinsicht. Wie wichtig eine kompromissbereite und enge Zusammenarbeit aller beteiligten Planer für das Gelingen von urbanen Lebensräumen ist, betonte die Runde unisono. Für Christian Farenholzt ist die Moderne daher auch kein dreidimensionales Modell, sondern vielmehr ein verantwortungsvolles Entscheiden und Handeln im Sinne der Utopie einer sozialen Stadt: „Modern ist das für morgen wichtige, richtige und schöne Heute!“

Doch was bedeutet dies für den Umgang mit dem baulichen Erbe der 1950er bis 1970er Jahre heute? Für Kunsthistoriker Adrian von Buttlar spielt besonders die Identität der Bewohner bei der Bewertung der Nachkriegsmoderne eine wichtige Rolle. Doch auch der Denkmalschutz muss einbezogen werden, denn trotz aller Ressentiments sei die „zweite Moderne“ ebenso Kulturerbe und daher zeitgeschichtlich nicht weniger legitimiert als die so häufig zurückersehnte „historische Stadt“.

Die Qualitäten der Nachkriegsarchitektur zu erkennen sei die „luxuriöse Position“, in der wir uns heute befinden, meint Monika Thomas, Stadtbaurätin in Wolfsburg. Dafür muss jedoch ein differenzierterer Blick auf die Moderne und eine vertiefte Durchdringung entwickelt werden. Gerade weil die Ideale von morgen auch im Sinne der Nachhaltigkeit vom Bestand abhängen, plädierte Adrian von Buttlar dafür, hinter die oberflächlich erzeugten Bilder zu blicken, denn „nur so wird Stadt zum Kaleidoskop, das lesbar bleibt.