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Nachwuchs aus Architektur und Theorie ausgezeichnet

19. September 2019

Rainer Gollmer
Rainer Gollmer
Preisträger Nachwuchsförderpreise BDA Berlin 2019

Poetik im ländlichen Raum, Mut in der Stadt – Herausragende Qualität in unterschiedlichen Maßstäben
BDA Berlin zeichnet Architekt*innennachwuchs aus der Hauptstadt aus und vergibt international ausgelobten Theoriepreis

Hans Schaefers Preis, Daniel Gössler Belobigung, Tibes Stipendium: Mit seinen Nachwuchsförderungen hat der BDA Landesverband Berlin einen differenzierten Werkzeugkasten entwickelt, um die Leistungen junger Architekturschaffender zu würdigen und in das Bewusstsein der (Stadt)Gemeinschaft zu rücken. Architektonische und städtebauliche Praxis finden dabei ebenso Berücksichtigung wie die theoretische Auseinandersetzung mit Baukultur und Stadtentwicklung.
Der BDA Berlin bekräftigt mit den Auszeichnungen seinen Anspruch, sowohl die gesellschaftlich relevanten Aspekte von Architektur hervorzuheben, als auch den fachlichen Diskurs stetig zu vertiefen. Er ehrt so sowohl auf ideeller wie materieller Ebene herausragende gestalterische und theoretische Leistungen.

Über die Vergabe der beiden Förderpreise 2019 entschied im August eine Jury aus den Architekturhistorikerinnen Prof. Dr. Annette Menting (Vorsitzende, Leipzig) und Prof. Dr. Nathalie Bredella (Berlin) sowie Laura Fogarasi-Ludloff (Architektin BDA/Ludloff Ludloff, Berlin, Preisträgerin BDA Preis Berlin 2018), Hans-Joachim Paap (Architekt BDA/gmp, Vorsitzender Hans Schaefers Stiftung, Vorstand BDA Berlin), Prof. Enrique Sobejano (Architekt BDA/Nieto Sobejano Arquitectos, Berlin/Madrid) und dem Preisträger des Hans Schaefers Preises 2016 Fabian Wichers (Architekt/Nord Studio, Berlin).

In einem Festakt am 19. September 2019 in Anwesenheit der Schirmherrin Katrin Lompscher (Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen) wurden nun die Preisträger der Nachwuchsförderpeise geehrt und auch die Ergebnisse des mit 5.000 € dotierten Tibes Stipendiums vorgestellt.

Den mit 5.000 € dotierten und seit 1992 vergebenen Hans Schaefers Preis für junge Architekt*innen und Stadtplaner*innen aus Berlin teilen sich in diesem Jahr zwei Projekte aus gänzlich unterschiedlichen Kontexten und Maßstäben:

Der 37jährige Jan Rösler (Jan Rösler Architekten, Berlin) wird für seinen Holzanbau in Bestensee ausgezeichnet. In ihrer Laudatio lobte die Vorsitzende der Jury Prof. Dr. Annette Menting den Anbau an ein Wohnhaus im ländlichen Brandenburg als „vorbildhaft im Hinblick auf Zurückhaltung, Eigenständigkeit und Einfügung“. Zugleich zeige dieser „das Potential moderner Architektur außerhalb der Stadt“.

Simon Menges
Simon Menges
Holzanbau Bestensee/Jan Rösler

Das Planungsteam Teleinternetcafé Architektur und Urbanismus (Berlin) aus der 33jährigen Verena Schmidt, dem 34jährigen Marius Gantert, dem 35jährigen Urs Kumberger und dem gleichaltrigen Andreas Krauth erhält den Preis für seine Planung Kiez der Statistik in Berlin-Mitte, die als Siegerentwurf eines integrierten städtebaulichen Werkstattverfahrens Basis der verbindlichen Bauleitplanung wird. Bei dem Konzept eines urbanen Quartiers mit vielfältigen Nutzungen und bezahlbaren Wohnungen am Haus der Statistik würdigte die Jury dessen „Zeichenwirkung, die junge Architekten ermutigen kann, sich im Sinne einer konsensualen Stadtplanung und auch in diesem großen Maßstab und an zentraler Stelle zu engagieren“.

Teleinternetcafé
Teleinternetcafé
Kiez der Statistik Berlin-Mitte/Teleinternetcafé

Die international ausgelobte Daniel Gössler Belobigung für junge Architekturtheorie – dank einer Zustiftung durch den BDA Berlin einmalig auf 2.000 € Preisgeld erhöht – wurde gleichrangig für zwei Arbeiten vergeben: Die 30jährige Linda Lackner (Wien) erhielt diesen Preis für ihre Arbeit Belgrads radikale Ränder. Vergangenheitspolitik und die post-politische Stadt.
Annette Menting bewertete die Arbeit in ihrer Laudatio als „eine äußerst spannende kulturpolitische Arbeit zur gegenwärtigen Stadtentwicklung Belgrads“, die gleichermaßen „ein Verständnis für Belgrad sowie für die Wechselwirkungen zwischen Architektur, Stadtplanung und Politik und damit für den kritischen Planungsdiskurs“ erzeuge.

Linda Lackner
Linda Lackner
Belgrads radikale Ränder. Vergangenheitspolitik und die post-politische Stadt/Linda Lackner

Die ebenfalls 30jährige Ortrun Bargholz (Berlin) wurde für ihre vielschichtige Forschungsarbeit Rekonstruktion der Moderne. Der Streitfall Haus Wolf, ein vergessenes Werk von Mies van der Rohe geehrt. Hier wurde besonders die Vielschichtigkeit gewürdigt, mit der die Autorin „theoretischen Diskurs und analytisches Arbeiten mit einem engagierten Anwendungsbezug sowohl für den spezifischen Fall des Hauses Wolf als auch für andere Rekonstruktionsdiskurse“ verbinde.

Ortrun Bargholz
Ortrun Bargholz
Rekonstruktion der Moderne. Der Streitfall Haus Wolf, ein vergessenes Werk von Mies van der Rohe/Ortrun Bargholz

Anlässlich der Preisverleihung, die im IG Metall Haus in Berlin-Kreuzberg stattfand, hob die Schirmherrin Katrin Lompscher den Stellenwert der BDA-Nachwuchsförderpreise und insbesondere des Hans Schaefers Preises hervor, welchen sie – der Tradition ihrer Vorgänger*innen im Amt folgend – „sehr gerne unterstütze“. In ihrem Grußwort verwies sie auf das große gestalterische und auch soziale Engagement der prämierten jungen Architekt*innen, welches sich vor allem auch in dem Senatsprojekt Kiez der Statistik zeige. Katrin Lompscher stellte zudem in Aussicht, sich dafür einzusetzen, die Preisträger*innen zu einem weiteren Verfahren des Senats direkt einzuladen.

Dem großes Lob an die jungen Kolleg*innen schlossen sich auch die weiteren Redner des Abends an: Der Vorsitzende des BDA Berlin Andreas R. Becher betonte den Stellenwert der Nachwuchsförderung, der sich auch darin zeige, dass viele der Preisträger*innen vergangener Jahre heute anerkannte Architekt*innen und erfolgreiche BDA-Kolleg*innen seien. Der BDA Berlin wolle einen Beitrag dazu leisten, dass junge Kolleginnen und Kollegen den oft steinigen Weg in die Selbstständigkeit meistern können. An die Schirmherrin gerichtet bekräftigte er – verbunden mit einer scharfen Kritik an der gegenwärtigen Stadtentwicklungspolitik – seine Forderung eines deutlich stärkeren Engagements für den Nachwuchs von Seiten der öffentlichen Hand – durch eine Politik, die das Bauen und insbesondere die Neuschaffung von Wohnungen fördere statt behindere, eine breitere Beteiligung junger, kleiner Büros an den Verfahren und mehr Mut für eine Zusammenarbeit auch mit jüngeren Kolleginnen und Kollegen.

Hans Joachim Paap
, Vorsitzender der Hans Schaefers Stiftung und BDA-Vorstandsmitglied, würdigte in seiner Rede Hans Schaefers und Daniel Gössler, die als Stifter der Preisgelder die Nachwuchsförderpreise begründeten. Dass der Hans Schaefers Preis nunmehr zum 10. Mal, die Daniel Gössler Belobigung zum 4. Mal vergeben werden könne, sei dabei dem Engagement der Familie Daniel Gösslers und weiterer großzügiger Spender*innen und der engagierten Arbeit seiner Vorgänger*innen im Stiftungsvorstand Hermann Scheidt, Carola Schäfers, Kristin Feireiss und Claus Bacher zu verdanken sowie der Arbeit seiner aktuellen Kollegen Eike Becker, Andreas Denk und Michael Schudnagies.
Sein großer Dank gelte aber vor allem auch den jungen Kolleginnen und Kollegen, die mit viel Engagement auf den Gebieten von Architektur und Stadtplanung oder der Theorie Erstaunliches leisteten.

Im Rahmen der Veranstaltung wurden auch die Ergebnisse des mit 5.000 € dotierten Tibes Stipendiums vorgestellt, das der BDA Berlin seit 2012 alle drei Jahre vergibt. Das von seine Namensgebern, der Architektin Constanze Tibes und dem Architekten Bernd Tibes gestiftete Stipendium versteht sich als projektbezogene Förderung für Berliner Studierende, Absolvent*innen und Doktorand*innen. Die Jury mit der Architektin, Kunsthistorikerin und Journalistin Dr. Ursula Baus (Stuttgart), der Berliner Architektin Prof. Anne Rabenschlag, Bernd Tibes und Andreas R. Becher entschied bereits 2018 über die Vergabe des Stipendiums.

Bernd Tibes bekräftigte in seiner Ansprache sein besonderes Anliegen, jungen angehenden Kolleg*innen die Chance zu geben, jenseits des Alltags an den Universitäten wertvolle Erfahrungen zu gewinnen – dies sei angesichts des gegenwärtigen strengen und oft einseitigen Kurrikulums umso wichtiger. Die aktuelle Stipendiatin, die heute 34jährige Marta Setúbal, habe die Jury mit ihrem Projekt Archiv als Dispositiv für die Reaktivierung der Bindung an einen Ort besonders überzeugt. Mit Hilfe des Stipendiums hat Marta Setúbal im vergangenen Jahr ein temporäres Bürgerarchiv in ihrer Heimatstadt Vila Real de Santo António in Portugal realisert. Die außerordentlich umfangreiche und vielschichtige Arbeit der Stipendiatin, so Tibes, verspreche auch einen grundsätzlichen Beitrag zu der Frage: „Können Architekt*innen gesellschaftliche Entwicklungen beeinflussen?“
Mit der eindrucksvollen Präsentation ihres ergebnisoffenen Archiv-Experiments bekräftigte Marta Setúbal anschließend ihre Überzeugung, dass Architekt*innen genau dies leisten könnten und kündigte an, dass sie das Projekt ab dem kommenden Jahr fortsetzen will.

Foto Marta Setúbal
Foto Marta Setúbal
Archiv als Dispositiv für die Reaktivierung der Bindung an einen Ort/Marta Setúbal

Eine Ausstellung zur BDA-Nachwuchsförderung „Vorbildliche junge Architektur aus Berlin“ wird vom 11. November bis 12. Dezember 2019 in der BDA Galerie gezeigt, Mommsenstraße 64, 10629 Berlin. Öffnungszeiten Mo, Mi + Do 10-15 Uhr sowie nach Vereinbarung

Weitere Informationen zu den prämierten Projekten und Arbeiten finden Sie im Downloadbereich.

Die Nachwuchsförderpreise des BDA Berlin
Der Bund Deutscher Architekten BDA, Landesverband Berlin e.V., Berliner lädt alle drei Jahre Architekt*innen und Stadtplaner*innen unter 40 Jahren ein, sich für den mit 5.000 € dotierten Hans Schaefers Preis zu bewerben. In diesem Jahr waren seit 2014 realisierte Projekte und städtebauliche Planungen zur Bewertung zugelassen. Die Jury wählte im August die Preisträger*innen aus.

Während der Hans Schaefers Preis für realisierte Bauten und Planungen vergeben wird, zeichnet die parallel ausgelobte Daniel Gössler Belobigung theoretische Arbeiten zu Fragestellungen der aktuellen Architektur- und Städtebaudebatte aus, die seit 2016 veröffentlicht wurden. Dieser Preis wird seit 2007 alle drei Jahre vergeben. Teilnahmeberechtigt waren 2019 neben Architekt*innen und Stadtplaner*innen auch Absolvent*innen anderer Fachrichtungen unter 40 Jahren unabhängig von ihrem Wohnort.

Bereits seit 2012 vergibt der BDA Berlin das mit 5.000 € dotierte Tibes Stipendium. Mit der Förderung unterstützt der BDA Berlin die Realisierung von Studienvorhaben im Bereich von Architektur und Bauen, der Architekturvermittlung, der Architekturtheorie und der Architekturgeschichte. Teilnahmeberechtigt sind Studierende und Absolvent*innen der Berliner Hochschulen, deren Abschluss nicht länger als ein Jahr zurückliegt sowie Doktorand*innen an den Berliner Hochschulen.

Weitere Informationen und Pressefotos
Petra Vellinga, BDA Geschäftsstelle, Telefon 030-886 832 06, E-mail info@bda-berlin.de

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