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Nachbericht: mobilität.stadt.gestalt – Mobilitätswandel als Chance der Düsseldorfer Stadtgestaltung

16. Oktober 2019

Der Klimawandel und seine Folgen wirft in vielen Bereichen unseres täglichen Lebens Fragen auf, erfordert Umdenken und neue Handlungsschwerpunkte. Ein wesentlicher Teilaspekt betrifft die Mobilität, und so wird an vielen Orten um neue Lösungsansätze gerungen. Im Wesentlichen wird die geforderte Mobilitätswende technisch diskutiert: wie wir den Modal Split beeinflussen können und welchen Antriebsarten die Zukunft gehört. Der BDA Düsseldorf widmete sich aber einem ganz anderen Aspekt. Wie nämlich – wenn man eine wie auch immer erfolgreiche Mobilitätswende zunächst einmal unterstellt – wirken sich die neuen Nutzungsformen unserer städtischen Verkehrsräume auf deren Gestaltung aus? Denn die Vision von der Gestaltung des öffentlichen Raumes ist nicht nur Nebeneffekt einer möglichen Mobilitätswende, vielmehr kann diese Vision sie im Umkehrschluss auch wesentlich beeinflussen.

Diese Fragestellung wurde in den Räumen des Stadtmuseums, inzwischen langjähriger Partner des BDA Düsseldorf, mit Impulsvorträgen und Gesprächsrunden erörtert.

In Ihrer Begrüßung setzte Frau Dr. Anna, die Leiterin des Stadtmuseums Düsseldorf, das Thema Mobilität in den historischen Kontext. Sie spannte einen Bogen von der Mobilität der Herrschaftshäuser des 17. Jahrhunderts, die ständig auf Reisen ihr Reich gewissermaßen aus der Kutsche beherrschten, über die autogerechte Stadt der Nachkriegszeit bis in die aktuellen Diskussionen über die Zukunft der Mobilität.

Handeln gegen den Klimawandel

Bruno Braun, der für den BDA begrüßte, forderte den Fußgänger wieder zum Hauptakteur des öffentlichen Raumes zu machen. Verkehrsflächen müssen zurückerobert werden, um Raum zu schaffen zum Promenieren und Flanieren. Der menschliche Maßstab müsse Mittelpunkt aller Entwicklungen sein.

Harald Wennemar erinnerte an den ernsten Hintergrund der Diskussion. 200 Quadratkilometer Land lägen weltweit weniger als einen Meter über dem Meeresspiegel. Auf dieser Fläche leben rund 100 Mio. Menschen, deren Lebensraum vom Anstieg des Meeresspiegels massiv bedroht ist. Wien werde im Jahr 2070 die klimatischen Verhältnisse von Dakar heute erleben, das hatte der Wiener Planungsdirektor Thomas Madreiter kurz zuvor beim BDA Gespräch des BDA NRW dargestellt. Man könne diese Entwicklungen nicht mehr stoppen, die Auswirkungen durch unser Handeln jedoch eindämmen.

©Harald Wennemar

Gemeinsam mit Mario Reale stimmte Wennemar dann mit Eindrücken aus Rotterdam, Antwerpen, New York, Kopenhagen, Warschau, aber auch Wuppertal und Düsseldorf weiter ins Thema ein.

©Harald Wennemar

Die kurze Bildfolge zeichnete das Bild von durchgrünten Stadträumen, in denen das Pendel von versiegelten Verkehrsflächen deutlich wieder in Richtung städtischer Erlebnis- und Begegnungsräume ausgeschlagen ist. Eine neue Lust zur Aneignung des öffentlichen Raums ist Ausdruck von veränderten Erwartungen der Stadtbewohner.

Mobilitätsplan D

Ingo Pähler, Leiter des Amts für Verkehrsmanagement, berichtete zunächst über die Aktivitäten der Stadt Düsseldorf, die im Kern im Mobilitätsplan D formuliert sind. „Ein Prozess und viele Fragen“ war einer der Untertitel, der stellvertretend für die Anstrengungen der Stadt steht, die komplexen Anforderungen einer heterogenen Stadtgesellschaft zu strukturieren und die richtigen Entwicklungsmaßnahmen daraus zu filtern. Im zweiten Teil seines Vortrags berichtete er über die Umgestaltung der östlichen Schadowstraße als Ergebnis eines freiraumplanerischen Wettbewerbs durch die Landschaftsarchitekten Bruun & Möllers. Ein ständiges Ringen zwischen Vision und Restriktion, sowie die erforderliche Anpassung an sich verändernde Planungsgrundlagen machen auch die scheinbar einfache Umgestaltung einer Straße zu einem komplexen Prozess.

©Molestina Architekten . FSWLA

Die Grafik zeigt den zweiten Bauabschnitt des Kö-Bogens und die Vernetzung der einzelnen Plätze miteinander

Kö-Bogen II

Davon konnten auch Prof. Pablo Molestina (Molestina Architekten) und Prof. Thomas Fenner (FSWLA) berichten. Seit ihrem erfolgreichen Wettbewerbsbeitrag für den „Kö-Bogen II“ sind sie verantwortlich für die Neugestaltung des öffentlichen Raums zwischen Cornelius-, Martin-Luther- und Gustav-Gründgens-Platz in Düsseldorf. Hitzige Debatten über den Entfall des „Tausendfüßlers“, einer Düsseldorfer Hochstraße aus der Zeit der autogerechten Stadt im Rang eines Wahrzeichens haben sie erlebt, ebenso wie wechselnde politische Mehrheiten und Meinungsführerschaften. Ihre Ausdauer hat sich bezahlt gemacht, ein Großteil des Entwurfs ist bereits Realität geworden. Prof. Fenner nutzte die Gelegenheit zur Kritik daran, dass der denkmalgeschützte Corneliusplatz regelmäßig im Winter über mehrere Monate durch eine Eisbahn überbaut wird, um dann im Frühjahr wieder neu hergestellt zu werden. Hier stehen sich Stadterlebnis, Stadtbildpflege und Nachhaltigkeit unversöhnt gegenüber.

„Unter dem Pflaster liegt der Strand“

Die folgende Diskussionsrunde mit den Vortragenden moderierte Prof. Rolf Westerheide engagiert und kenntnisreich. Gemeinsam wurde in der Runde noch einmal herausgearbeitet, dass eine Mobilitätsveränderung dann besonders beflügelt wird, wenn sich mit einer Umgestaltung der Verkehrsräume zu attraktiven Stadträumen ein zusätzlicher Mehrwert für die Stadtgesellschaft ergibt.

©Harald Wennemar

Stadt wahrnehmen und Pudding essen

Seinem Impulsvortrag hatte Prof. Knopp, der an der Düsseldorfer Hochschule Stadt- und Kultursoziologie lehrt, den Titel „Mobilitätsformen – Aneignung und Wahrnehmung von Stadt“ gegeben. Er ermutigte zur Suche nach den Möglichkeiten der aktiven Integration der Zivilgesellschaft in Stadtgestaltungsprozesse. Ein wichtiges Element dabei müsse das praktische Erproben von neuen Situationen sein – „the proof of the pudding is in the eating“… Identifikationsfähige Räume, die mit einem veränderten Mobilitätsverhalten entstehen können, müssen mit der Bürgerschaft die Ebene der bloßen Argumentation überwinden und zu einer spürbaren Aneignung der Räume führen. Insgesamt müsse der Mensch und seine Bedürfnisse wieder der Maßstab sein, nicht der Verkehr.

„Fährst Du noch oder lebst Du schon?“ fragte Dr. Gereon Uerz, der sich bei ARUP Ingenieure mit „Foresight and Innovation“ in Europa befasst. Sein Thema sind die Aspekte einer menschenfreundlichen Mobilität der Zukunft. Dabei stellte er die Sinnhaftigkeit einzelner Errungenschaften durchaus (selbst-)kritisch in Frage. Auf sein Auto verzichten, aber Stammkunde beim Internetversender? Ein ganzheitlich gedachter und ausgewogener Ansatz von Mobilität sei gefragt, und da müsse auch über eigenen Verzicht nachgedacht werden.

 

©Harald Wennemar
©Harald Wennemar

„Unter dem Pflaster liegt der Strand“, darin waren sich Prof. Knopp, Dr. Uerz und Prof. Westerheide in ihrem Gespräch schnell einig. Also nur wenig ist manchmal nötig, um die Räume der Stadt neu zu erfinden, man muss es sich nur vorstellen wollen und können.

In der abschließenden Diskussionsrunde mit allen Vortragenden unter erneuter Moderation von Prof. Westerheide wurde auch das Publikum intensiv einbezogen. Es zeigte sich erneut, wie sehr das Thema Mobilität die Gemüter erhitzt – aber auch wie groß das allgemeine Interesse ist. Nach beinahe zweieinhalb Stunden wurden die Zuschauer der sehr gut besuchten Veranstaltung zum Ausklang bei Wein und Brezeln entlassen.

Harald Wennemar

 

Nachbericht zur Veranstaltung des BDA Düsseldorf vom 2. Oktober in Düsseldorf im Rahmen der Landesreihe „Stadt in Bewegung – mobil ökologisch lebenswert“ des BDA NRW