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Zwischen Mexiko, Tokio und Schumschu

9. November 2019

In diesem Jahr war der BDA Landesverband zu Gast in der MSA | Münster School of Architecture, um bereits zum zwölften Mal seinen Studienpreis BDA Masters 2019 zu verleihen. Vierzehn nordrheinwestfälische Hochschulen waren aufgerufen, maximal drei Bachelorabsolventen und deren Arbeiten zum Auszeichnungsverfahren zu nominieren. In Münster wurde 30 Abschlussarbeiten vorgestellt und die besten prämiert.

©Barbara Schlei

Gert Lorber, Birgit Westphal, Christian Kuckert, Moritz Widmann, Calvin Kaußen, Thomas Berger, Ursula Pasch, Heiner Farwick, Tobias John, Marcel Arndt, Vinzenz Keiler, Benjamin Strauß, Maximilian Kirchhoff (vlnr)

Die Jury, bestehend aus Gert Lorber, Vorsitzender des BDA Landesverbandes NRW, Heiner Farwick, Farwick + Grote Architekten, Ahaus, Christian Kuckert, Architekt BDA, Münster Ursula Pasch, Architektin BDA, Bielefeld und Birgit Westphal, Architektin BDA, Bremen, zeichnete in diesem Jahr fünf Arbeiten aus, die mit einem Preisgeld von jeweils 2.000 Euro dotiert sind und an die Verfasser ausbezahlt werden, sobald sie ihr Masterstudium aufnehmen. Außerdem entschied die Jury, an zwei Arbeiten eine undotierte Lobende Erwähnung zu vergeben. In diesem Jahr zum ersten Mal vergeben wurde der Preis der Nominierten, der durch anonyme Wahl aus den Reihen der Nominierten an die, ihrer Ansicht nach, beste Arbeit vergeben wurde. Im Premierenjahr geht dieser Preis, der mit insgesamt 750 Euro dotiert ist, mit Stimmengleichheit an zwei Arbeiten.

Der BDA Masters nimmt bei der Förderung des Architekt*innennachwuchses in NRW eine wichtige Rolle ein. Er bietet den Studierenden die Möglichkeit, ihre Arbeiten außerhalb der eigenen Hochschule von einer aus der Architekturpraxis kommenden, unabhängigen Jury beurteilen zu lassen. Alle Absolventinnen und Absolventen stellten ihre Entwürfe persönlich vor. Anschließend war jeweils Zeit für Rückfragen und kurze, auch kritische Wortwechsel über die Arbeiten zwischen den Juroren und den Teilnehmern. Die Preisträger bilden die Vielfalt der Einreichungen ab und überzeugen sowohl mit originellen, ungewöhnlichen Ansätzen, zu Ende gedachten Konzepten sowie mit hoher Qualität der Darstellung. Entscheidend für die Auszeichnung der Arbeiten waren neben der Angemessenheit der Lösung bezogen auf die Aufgabe, Neues zu denken und zu erproben sowie der Mut, auch unbequeme Themen intensiv zu bearbeiten.

 

Einen Preis erhält Moritz Widmann für seine Bachelor Arbeit: Tokio Urban Nomad Tower

© Moritz Widmann

Die Jury sagt dazu

Die Arbeit zeichnet sich durch die intensive Auseinandersetzung mit der Notwendigkeit von Nutzungsmischung in modernen Großstädten am Beispiel Tokio aus. Moritz Widmann entwirft ein Hotel in Tokio und kommt in seiner Analyse zunächst zu dem Ergebnis, dass ein Hotel über die Hälfte des Tages ungenutzt bleiben würde. Die folgerichtig vorgeschlagene Nutzungsmischung – Zitat: „Der Mensch, die Natur und die Kultur sollen die soziale Gemeinschaft des Gebäudes konstruieren“ – wird konsequent umgesetzt. Vorgeschlagen werden zukunftsorientierte Nutzungen wie ein Gebrauchtwagenhändler im Erdgeschoss, naturnahe begrünte Gärten, ein Pop Up-Lab, ein Boardinghaus und ein Hotel. Skybar und Schwimmbad runden die Nutzungsvielfalt ab.

Über mehrere Fassadenstudien im Modell gelangt Moritz Widmann zu einer Lösung, die die inhaltliche Stapelung der Nutzungen ablesbar macht. Die Grundrisse sind nachvollziehbar und reduziert organisiert. Die schlanke Silhouette des über 20geschossigen Towers setzt sich quasi wie eine Nadel in das städtebauliche Umfeld und unterstreicht so die vertikale Entwicklung der Stadt Tokio. Moritz Widmann gelingt mit seiner Arbeit ein innovativer Beitrag zur aktuellen Diskussion um die Verdichtung von Großstädten.

Hochschule Bochum, Fachbereich Architektur
Betreuer: Prof. André Habermann

 

Calvin Kaußen erhält für seine Arbeit Meeresforschungsstation auf Schumschu einen weiteren mit 2000€ dotierten Preis

© Calvin Kaußen

Aus dem Juryprotokoll

Die Arbeit besticht durch eine spielerische Umsetzung der Entwurfsaufgabe, ein Haus „als Maschine nicht nur zum Wohnen“ an einem unwirtlichen Ort zu entwickeln. Diesen Ort hat er sich entlang eines vorgegebenen Breitengrades selbst ausgewählt. Es ist ihm auf beeindruckende Weise gelungen, eine phantasievolle Interpretation des Genius Loci und damit ein auf den Ort abgestimmtes und zugleich zeitgemäßes Thema für sein Gebäude zu entwickeln. Seine Meeresforschungsstation, ergibt an dem ungewöhnlichen Standort inhaltlich Sinn und inspiriert Calvin Kaußen zu einer archetypischen Lösung für vergleichbare Aufgabenstellungen. Das „Forschungsei“ überzeugt durch eine konsequente Durcharbeitung. Dabei werden sowohl technisch nachvollziehbare Lösungen, wie z.B. eine durch die gleichbleibende Strömung angetriebene Turbine zur Stromversorgung oder die Auftriebskraftberechnung der Kettenkonstruktion, aufgezeigt wie auch räumliche Qualitäten einer Wohn- und Arbeitsstation in einer für den Menschen höchst feindlichen Umwelt nachvollziehbar durchdacht. Die Versorgung mit Frischwasser wird ebenso thematisiert und das Leben im und unter Wasser in seinen Problemstellungen erfasst sowie zugleich in eine angemessene Form einer Kunstkapsel qualitätvoll umgesetzt. Die Verknüpfung mit der restlichen Welt wird nachvollziehbar über eine U-Boot-Andockstation hinter der Druckkammer oder eine schwimmende Pontonbrücke an Land geschaffen. Insgesamt eine inspirierende Arbeit, die zeigt, dass kreative Prozesse auch durch ungewöhnliche Aufgabenstellungen zu ungeahnten Lösungen führen können.

RWTH Aachen, Fakultät für Architektur
Betreuer: Univ. Prof. ir. Wim van den Bergh, PhD Luciano Motta, ir. Mark Proosten

 

Auch Maximilian Kirchhoff mit dem Entwurf Harborside Hotel Phoenix-See überzeugte die Jury

© Maximilian Kirchhoff

Die Jury sagt dazu

Der Phoenix-See in Dortmund ist eines der größten städtebaulichen Entwicklungsprojekte Deutschlands. Die Ränder des Sees sind inzwischen weitgehend bebaut, lediglich ein Schlüsselgrundstück im Übergang vom See zum Hafen ist noch unbebaut. Hier entwickelt Maximilian Kirchhoff in einem Zusammenspiel von zwei Baukörpern mit einem Hotelhochhaus einen kraftvollen städtebaulichen Akzent. Die Baukörper formen eine angemessene Platzsituation als Entree für ankommende Gäste des Hotels einerseits und als Vorbereich des Geschäfts- und Bürogebäudes andererseits. Die Bauvolumina nehmen die Höhen der vorhandenen Baukörper auf, wobei die Fassaden durch Rücksprünge und Einkerbungen gut differenziert sind, ohne dass diese überinstrumentiert wirken. Der Abschluss der Gebäudereihe entlang des Hafenbeckens gelingt mit der Überhöhung zum Hochhaus. Die Kolonnadenstellung der Nachbarbebauung wird entlang der fußläufigen, wasserseitigen Promenade fortgeführt und endet sinnfällig am Eingang zum Hotel.

Das Hotelentree ist räumlich als mehrgeschossige, glasüberdeckende Halle spannungsvoll inszeniert. Gastronomie im Erdgeschoss und Seminarräume im 1. Obergeschoss sind richtig verortet und bieten differenzierte Ausblicke und Außenraumbezüge. Mit dem Angebot einer doppelgeschossigen Skybar wird ein besonderer Akzent gesetzt und gleichzeitig eine öffentliche Nutzung geboten. Auch das Büro- und Geschäftshaus weist eine gute Struktur für flexible Nutzungsmodelle auf. Die Arbeit besticht sowohl in der städtebaulichen Figur als auch durch eine sehr hohe Qualität der Architektur und ist bemerkenswert präzise durchgearbeitet. Die zurückhaltende Darstellung belegt, dass gute Entwürfe jede Effekthascherei entbehrlich machen.

Hochschule Ostwestfalen-Lippe, Detmolder Schule für Architektur und Innenarchitektur
Betreuer: Prof. M. Arch. Jasper Jochimsen, Dipl.-Ing. Sascha Walter

 

Vinzenz Keiler gewann die Stimmen der Jury mit Der Charakter der Architektur – Kulturelles Stadtzentrum

© Vinzenz Keiler

Juryprotokoll

Der Entwurf von Vinzenz Keiler für ein kulturelles Stadtzentrum in Riedenburg verortet sich, nach augenscheinlich intensiver Auseinandersetzung mit seiner Geschichte und dem dazugehörigen Landschaftsraum, städtebaulich richtig und gut nachvollziehbar in dem heutigen Kontext. Die in ihrer Maßstäblichkeit  angemessene Architektur schafft mit einer selbstverständlichen Setzung des Gebäudes einen neuen Raum in der Stadt. Die entstehenden Plätze, Straßen und Gassen sind in dem vorhandenen Gefüge sehr angemessen ausformuliert.

Diese wohltuende Auseinandersetzung mit dem Bestand wird konsequent in eine gelungene  Architektursprache übersetzt. Die Arbeit besticht durch den gekonnten Umgang mit Materialien und den daraus entstehenden Raumabfolgen. Das kluge Fügen der steinernen Hüllflächen wird vom Dach, den Wänden bis zum Boden stringent  und feinsinnig in eine dem Ort entsprechende Architektur umgesetzt. Die Arbeit von Vinzenz Keiler bedient die Bilder eines archetypischen Hauses in einer sehr angenehmen und klugen Art und Weise und überzeugt die Jury in Gänze.

Fachhochschule Münster, MSA Münster School of Architecture
Betreuer: Prof. Michael Schanné

 

Die Bachelorarbeit Ruderclub am Rursee von Thomas Berger bekommt den fünften, der gleichrangig, vergebenen Preise

© Thomas Berger

Aus dem Juryprotokoll

Der landschaftliche Kontext und das inhaltliche Wesen der Aufgabenstellung sind die bestimmenden Merkmale des Entwurfs für einen Ruderclub am Rursee. In bestechender Weise prägt der schlichte Baukörper mit seinen vertrauten typologischen Gestaltungsmerkmalen den Ort und wird gleichzeitig durch den Ort und durch die Funktion geprägt. Die konsequent und schlüssig umgesetzten funktionalen Zusammenhänge, resultierend aus den Anforderungen des Wassersports, stellen die Qualitäten für den Grundriss dar. Über die differenzierte Ausbildung der Erschließungszonen zwischen Innen und Außen ist der jeweils gewünschte Grad an Offenheit und Ausblick präzise zu gestalten.

In seiner Formensprache und in der Materialwahl wird das ortstypische Erscheinungsbild traditioneller ländlicher Architekturen gewahrt. Die Arbeit von Thomas Berger stellt ein sehr reifes und diszipliniertes Ergebnis eines Entwurfsprozesses dar, bei dem es ihm gelungen ist, mit ortstypischen Elementen, durch konsequent durchdachte Proportionen und wohl überlegte Materialien eine dem Rudersport am Rursee angemessene Heimat zu schaffen und sich trotzdem wohltuend von den ihn umgebenden gebauten Banalitäten abzuheben.

RWTH Aachen, Fakultät für Architektur
Betreuer: Prof. Hartwig N. Schneider, Dr. Ing. Christian Schätzke, Juniorprofessorin Carolin Stapenhorst

 

 

Beide Arbeiten, die mit einer Lobende Erwähnung bedacht wurden, stellen aus Sicht des Preisgerichtes eine inspirierende und qualitätvolle Auseinandersetzung mit dem Thema „Architektonischer Raum und dessen Inszenierung“ dar.

Marcel Arndt: M A

© Marcel Arndt

Die Arbeit setzt sich mit dem architektonischen Thema der „Rauminszenierung“ auseinander. Sie beschreibt, wie in der Literatur, Natur, Kunst und Musik durch gezielten Einsatz von Pausen, durch das Inszenieren eines Vakuums und durch das Bespielen von Zwischenräumen emotionale Spannungsfelder geschaffen werden. Diese Beobachtungen und theoretischen Überlegungen finden dann die architektonische Umsetzung in einem abschließenden Projekt, in dem Leere, Raum und Zeit zu einer beeindruckenden architektonischen Kunstinstallation umgesetzt werden.

Fachhochschule Münster, MSA Münster School of Architecture
Betreuer: Prof. Kirsten Schemel

 

Tobias John: Poiesis – Ausstellung architektonischer Akte

© Tobias John

Die Arbeit beschäftigt sich mit dem Thema „Abstraktion als Verdichtung“. Tobias John untersucht, wie viel Abstraktion in der Architektur und Planung nötig ist, um einen Raum emotional erfahrbar und spürbar zu machen. Er geht der Frage nach, wie eine im Entwurfsprozess angestrebte Atmosphäre so umgesetzt werden kann, dass es für den Betrachter oder späteren Nutzer erleb- und erfahrbar wird. Auch seine theoretischen Untersuchungen münden in eine erlebbare Rauminstallation, in der die Besucher unterschiedliche räumliche Inszenierungen erspüren können.

Fachhochschule Münster, MSA Münster School of Architecture
Betreuer: Prof. Kirsten Schemel

 

Der Preis der Nominierten ging bei Stimmengleichheit an zwei Studierende

Benjamin Strauß: Orte der Begegnung
FH Dortmund, Fachbereich Architektur, Betreuerin: Vertr.-Prof. Andrea Salgert

© Benjamin Strauß

Vinzenz Keiler: Der Charakter der Architektur – Kulturelles Stadtzentrum
Fachhochschule Münster, MSA Münster School of Architecture, Betreuer: Prof. Michael Schanné

© Vinzenz Keiler

 

Seit 2008 vergibt der BDA Landesverband NRW jährlich den Studienpreis „BDA Masters“. Mit diesem Preis möchte der BDA besonders begabten Absolventinnen und Absolventen der Bachelorstudiengänge Architektur und Städtebau einen Anreiz geben, ein Masterstudium anzuschließen. Denn der BDA ist der Überzeugung, dass die Anforderungen, die sich dem Berufsstand in gestalterischer, technischer, ökologischer und sozialer Hinsicht heute stellen, ein breit angelegtes, zehnsemestriges Studium erfordern. Zur Teilnahme sind deshalb nur solche Bachelorabsolventen zugelassen, die ein Masterstudium aufnehmen wollen oder bereits damit begonnen haben.

 

Barbara Schlei