Themen

Bochumer BDA-Architekt Roman Reiser feiert 100. Geburtstag

13. September 2020

Foto: PicturePeople
Foto: PicturePeople
Der Architekt Roman Reiser feiert am 18. September 2020 seinen 100. Geburtstag

Wenn Roman Reiser am 18. September 2020 auf stolze 100 Lebensjahre zurückblickt, dann hat er mehr als 50 davon der Architektur gewidmet. Als selbstständiger Architekt startete der gebürtige Schwabe 1954 mit einem eigenen Büro in Bochum. Das Ruhrgebiet sollte seine architektonische Heimat werden: Vor allem in Bochum und in den Nachbarstädten errichtete er Wohnhäuser, Büro- und Verwaltungsbauten ebenso wie Sozial- und Bildungseinrichtungen. Es sind rund 330 Bauten, die sein 2015 erschienenes Werkverzeichnis zusammenfasst. Auf die Frage, welche Gebäude ihm am wichtigsten sind, antwortet Reiser nach kurzem Überlegen: „Alle. Sie sind mir alle lieb und wichtig!“ Dass einige seiner Bauten seit 2001 unter Denkmalschutz stehen, unterstreicht die Relevanz seines architektonischen Schaffens. Auf der Liste der geschützten Bauwerke findet sich auch sein eigenes, von 1960 bis 1963 erbautes Wohnhaus, in dem er seinen 100. Geburtstag verbringen wird. „Die Familie wird sich hier versammeln“, so Reiser, „mal sehen, wer noch vorbeischaut.“

Nicola Leffelsend
Nicola Leffelsend
Wohnhaus Roman Reiser, Bochum (1960-1963)

Städtebauliche Zeitzeugen
Mit Blick auf seine bauliche Tätigkeit erinnert sich der Architekt: „Ich hatte eigentlich immer Glück.“ Es war zunächst der wirtschaftliche Aufschwung samt Bauboom seit Mitte der 1950er Jahre, der Roman Reiser viele Aufträge bescherte. Dass er auch mit seinen Entwürfen überzeugen konnte, beweisen bereits die frühen Architekturprojekte. „Eines meiner ersten Häuser hat schon für Furore gesorgt“, so Reiser, „es wurde viel veröffentlicht.“ Fehlendem Wohnraum begegnete er mit Entwürfen für Wohnheime, Siedlungen und Einfamilienhäuser. Mit architektonischen Leuchtturmprojekten prägte er die Bochumer Innenstadt und brachte die Bürgerinnen und Bürger der Stadt in den 1960er bis -80er Jahren zum Staunen. Lange galt das „Europahaus“ (1959-1963) gegenüber dem Hauptbahnhof mit seinen rund 60 Metern Höhe als einziges Hochhaus Bochums. Und noch heute ist das 77 Meter hohe verglaste „Bomin-Haus“ (1972-76) ein echter Hingucker – mittlerweile mit veränderter Glasfassade. Auch mit dem innerstädtischen Gebäude der Deutschen Bank (1985-87) samt Eckturm mit verspiegelter Glasfassade setzte Reiser ein architektonisches Ausrufungszeichen. Stolz ist Reiser auch auf eine rund 100 Einheiten umfassende Wohnanlage im Bochumer Süden (1965-68): „Die Bewohner fühlen sich dort immer noch wohl“, unterstreicht er, „das ist mir wichtig.“

Nicola Leffelsend
Nicola Leffelsend
Wohnanlage für Landesbedienstete, Bochum (1965-1968)

Kulturelle Identität
„Ich habe meine Bauherren zudem immer überzeugt, dass Bauen eine kulturelle Frage ist“, macht Reiser im Gespräch deutlich. Beeinflusst durch die Architekturtendenzen der jeweiligen Jahrzehnte hat der Architekt seine Bauten stets behutsam auf die vor-handene Umgebung abgestimmt. „Für mich hat immer die Maxime gegolten, dass meine Architektur ein Zusammenspiel aus den Bedürfnissen der Bauherren, der städtebaulichen Bedingungen und dem eigenen architektonischen Ansatz sein sollte“, betont Reiser. Gleichzeitig war klar: „Wer zum Reiser geht, muss schriftlich formulieren, was er haben will.“ So stellte er stets sicher, dass auch die Bauherren immer das bekamen, was sie sich wünschten. Über die Jahrzehnte hinweg hat Reiser Bochum auf diese Weise baulich geprägt und hier seine Spuren hinterlassen. „Die Stadt ist eine andere geworden,“ blickt der Architekt zurück: „Durch kluge Maßnahmen von Stadt- und Bauverantwortlichen hat sie sich positiv gewandelt und ist heute ein erfolgreicher Wissenschaftsstandort.“

Nicola Leffelsend
Nicola Leffelsend
„Bomin-Haus“, Bochum (1972-1976)

Ehrliche Architektur
1920 im schwäbischen Lauingen geboren, brachte Reiser die Faszination für Architektur zunächst nach München. Bis 1949 studierte er an der dortigen Technischen Hochschule. Die Architekten Hans Döllgast, Martin Elsaesser, Robert Vorhoelzer und Adolf Abel sollten zu seinen Vorbildern werden. „In München habe ich gelernt, meine Architektur nachvollziehbar und ehrlich zu gestalten“, beschreibt Reiser seine architektonische Haltung, die ihn fortan beeinflussen sollte: „Das gilt auch für die Verwendung der Materialien und für die Konstruktion. Nichts sollte versteckt werden.“ Der Zeit der Studien in der bayerischen Hauptstadt folgte der Umzug ins Ruhrgebiet: Das Bochumer Architekturbüro August Schröder suchte einen Architekten. Bald darauf begann er bei der Oberpostdirektion Dortmund. Mitte der 1950er Jahre war die Zeit reif für die Gründung seines eigenen Architekturbüros. Wie erfolgreich er damit war und wie ihn auch die Kollegen schätzten, zeigt die Aufnahme in den Bund Deutscher Architekten (BDA) einige Jahre später. Seit 1961 ist Reiser Mitglied des BDA Bochum – mittlerweile ist er Ehrenvorsitzender. „Beim BDA habe ich mich lange Zeit auf lokaler und überregionaler Ebene für Architektur und Baukultur engagiert und war in vielen Ausschüssen tätig“, blickt Reiser zurück. Als Gründungsmitglied der Architektenkammer hat er sich ebenso engagiert wie im Bauausschuss der Stadt Bochum. Mit über 70 zog sich der Architekt 1991 aus seiner aktiven Tätigkeit zurück. Als Reiser und Partner Architekten BDA besteht sein Büro bis heute und blickt in diesem Jahr auf 66 Jahre Bürogeschichte zurück. Ein doppelter Grund zum Feiern.

Nicola Leffelsend
Nicola Leffelsend
Bankgebäude Deutsche Bank, Bochum (1985-1987)