Themen

, ,

Architecture Matters 2021: Ein Blick zurück

5. Mai 2021

© Jan Grarup / madebygrarup.com
© Jan Grarup / madebygrarup.com

Architecture Matters
24.-26.03.2021
digital Edition

Welche Architekturthemen beschäftigen die Stadt am meisten? Wer sind die Player, die hinter den ganz großen Entscheidungen stehen und wie bekommt man diese Entscheidungsträger mit jungen Architekten und der Zivilgesellschaft an einen Tisch, bzw. auf ein Podium?

Aus Münchner Sicht war das Highlight der fünften Ausgabe von Architecture Matters die Diskussion zur aktuellen Hochhausdebatte am Freitagvormittag. Veranstalterin Nadin Heinich ist es gelungen gleich mehrere Entwickler von Hochhausprojekten, die sonst eher hinter den Kulissen agieren, in einem Panel auf die Bildschirme der Teilnehmer zusammenzubringen: Jürgen Büllesbach von Opes Immobilien baut auf dem Werksgelände der Knorr-Bremse nördlich des Olympiaparks nicht nur Werkswohnungen, sondern auch ein Hochhaus, dessen Höhe momentan noch mit der Stadt verhandelt wird. Ralf Büschl von der Büschl Unternehmensgruppe ist für die Entwicklung der Zwillingstürme neben der Paketposthalle bekannt, für die Herzog & de Meuron eine bauchige Silhouette entworfen haben, die in den Medien und städtischen Gremien heiß diskutiert wird. Für die Signa-Immobilien, die momentan unter anderem die Alte Akademie umstrukturiert, trat Tobias Sauerbier an. Die Signa hat nach seinen Ausführungen zurzeit in München kein Hochhausprojekt, ist aber in anderen Städten mit Hochhäusern aktiv und als Eigentümer des New Yorker Chrysler Building weltweit tätig.
Die Diskussion mit Stadtbaurätin Elisabeth Merk und Christoph Ingenhoven, Architekt des Münchner O2-Towers, konnte in der kurzen Zeit die wichtigsten Themen nur anreißen. Was kann und was muss ein Hochhaus, das pro Quadratmeter Grundfläche mit so viel Baurecht durch die Stadt ausgestattet wurde, dem Quartier und der Stadt an Qualität zurückgeben?

Im Mittelpunkt stand die aktuelle Hochhausstudie: Sind die dort angegebenen Leitlinien zu unverbindlich? Sollte Die Stadt nicht im Rahmen eines Masterplans konkretere Vorgaben machen und damit eine Vision der Stadtsilhouette vorgeben? Stadtbaurätin Merk sieht bei der jetzigen Version, die nur Entwicklungszonen für Hochhausstandorte ausweist schon genug Konfliktpotential mit Anrainern und Interessenvertretern.

Eines machte das Panel in jedem Fall deutlich: Wer künftig über Hochhäuser diskutiert, sollte die Investoren und Entwickler stärker mit einbeziehen. Schließlich ist es zielführender, mit ihnen anstatt über sie zu sprechen, um diese wichtigen Landmarken im Stadtbild für die gesamte Bevölkerung so gewinnbringend wie möglich zu gestalten.

Ein weiteres Highlight gleich zu Beginn der dreitägigen Konferenz am Mittwochmorgen war die Buchvorstellung von OMA Partner Reinier de Graaf. Mit The Masterplan legte der versierte Vortragsredner und Schriftsteller seinen ersten Roman vor. Der Sohn eines berühmten Architekten wittert seine Chance endlich den Vater zu übertreffen und gerät beim Bau einer neuen Hauptstadt in Afrika in die Zange von Investoren und Politik. Am Ende ist er durch eigenes Verschulden und Größenwahn ruiniert. Auf die Frage weshalb er die Form eines Romans gewählt hat antwortet de Graaf: »Ein Roman ist reine Fiktion, das gestattet dem Autor die Wahrheit unverbrämt zu beschreiben ohne Rücksicht auf etwaige reale Beteiligte«. So kann The Masterplan durchaus als Einblick in die Abgründe des Alltags eines global agierenden Architekturbüros wie OMA gelesen werden.

Am Mittwoch ging es um die Transformation der Innenstädte. Wie bei Architecture Matters üblich lag der Reiz der Diskussion in der Unterschiedlichkeit der Protagonisten. Die Architektinnen Olga Aleksakova und Julia Burdova von Buromoscow stellten neue bunte Großsiedlungen in Russland vor. Die Münchner Autorin Katja Eichinger erläuterte anhand kurzer Passagen aus ihren Buch »Mode und andere Neurosen« ihren Blick auf die Einkaufskultur. Mark Phillips von der Hochschule Coburg vertrat den wissenschaftlichen Blick und Eva Herr als Leiterin des Stadtplanungsamts Köln die Seite der Stadtplanung. Im Blickpunkt der Diskussion stand die Zukunft der Büroarbeitsplätze und die Erfordernis von »Third Places«, also informellen Bereichen, an denen die Mitarbeiter wie auf dem Platz einer Stadt zusammenkommen können. Markus Urban von Eviday London zeigte dazu aktuelle Beispiele, die weit über die Bürotypologie des Business Clubs hinausgehen. Die brennende Frage wie es denn angesichts des Home-Office-Booms nun mit der Gestaltung von Büroarbeitsplätzen weitergeht diskutierte er im Anschluss mit Karim El-Ishmawi, Chris Middleton und Angelika Donhauser von Kinzo, die als Architekten genau in diesem Bereich weltweit an der Schnittstelle von Architektur und Design tätig sind.

Zusätzlich zu diesen Diskussionsveranstaltungen gab es, wie in den Vorjahren die für Architecture Matters typischen Formate des Workshops und des Speed Datings, um Investoren und Entwickler mit jungen Architekten bekannt zu machen. Unter dem Schlagwort Rethinking Neuperlach stand ein Ideenwettbewerb für das ehemalige Allianz-Areal im Fokus, das der Besitzer Hines zu einem lebendigen Stadtteil mit Co-Working Angeboten nachhaltig nachverdichten möchte.

Architecture Matters 2021 hat gezeigt, dass dieses Veranstaltungskonzept auch online funktioniert. Das Markenzeichen von Architecture Matters, unterschiedliche Menschen aus ganz unterschiedlichen Bereichen in einem inspirierenden und überraschenden Ambiente persönlich zusammenzubringen konnte naturgemäß in den vergangenen Jahren in Präsenzveranstaltungen noch konsequenter umgesetzt werden. Insofern bleibt die Vorfreude auf 2022, wenn hoffentlich wieder eine schrille Location mit illustren Gästen die Immobilienbranche aus dem Business-as-usual reißen wird und die Stadtgesellschaft mit der scheinbar geschlossenen Gesellschaft der Entwickler und Investoren auf einem gemeinsamen Podium zum Wohle der Stadt zusammenkommen.

Autor: Frank Kaltenbach