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BDA Frankfurt – politische Aufforderung für eine klimagerechte Architektur und Stadtplanung in Frankfurt

5. Mai 2021

Die Kommunalwahl 2021 hat in Frankfurt für eine Änderung der politischen Verhältnisse gesorgt. Der BDA begrüßt die Bestrebungen, eine klimagerechtere Stadtentwicklung zu forcieren. Konkrete Handlungsvorschläge für Frankfurt ergeben sich auf der Basis der BDA-Publikation „Das Haus der Erde“.

Kommunalpolitik trägt gesellschaftliche Verantwortung für städtebauliche Entwicklungen, die in ihrer Entstehung und ihren Auswirkungen politische Perioden lange überdauern.
Ökologisches Handeln ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, bei der Planerinnen und Planer in der Umsetzung wirken. Der BDA fordert vor diesem Hintergrund die Aufnahme der folgenden planerischen Grundsätze in die politische Agenda.

1. Kultur des Experimentierens: Innovationen fördern
Die ambitionierteren EU-Klimaziele für 2050 sind richtig. Sie erfordern jedoch neue Denk- und Handlungsoptionen.

Der BDA fordert in seinem Positionspapier: „Ökologische Konzepte und Strategien sind künftig intensiver gemeinsam und kooperativ mit den Menschen vor Ort umzusetzen. In Beteiligungsprozessen kann die Wirkungsmacht des persönlichen Verhaltens erlebt und so die Motivation und Akzeptanz für den notwendigen ökologischen Wandel gestärkt werden.“ [BDA – Das Haus der Erde – Politisch handeln, 2020] In Frankfurt hat bereits eine neue Kultur des Experimentierens in städtebaulichen Beteiligungsformaten und Planungsverfahren begonnen. Sie soll weitergeführt und gefördert werden. Stadtentwicklungsprojekte sind notwendig und können erfolgreich umgesetzt werden, wenn Beteiligungsverfahren von den Menschen akzeptiert und zur Mehrheitsbildung genutzt werden. Dabei stehen gemeinschaftliche Interessen über Partikularinteressen. Bei konkreten Bauprojekten von öffentlichem Interesse soll zudem ein Gestaltungsbeirat im Namen der Stadtgesellschaft eine dauerhafte Baukultur und -qualität fördern. Er ergänzt den Frankfurter Städtebaubeirat, der die Stadt zu städtebaulichen Entwicklungen unabhängig berät.

Die Stellplatzsatzung ist in eine „Mobilitätssatzung“ zu überführen, die Pflichten und Anreize für innovative Mobilitätslösungen setzt. Bau- und stadtbaurechtliche Regelungen müssen den Blick lösen von der einseitigen Fokussierung auf den MIV und den ruhenden Verkehr. Vielmehr gilt es, in Anbetracht der beschränkten städtischen Ressourcen – vor allem des öffentlichen Raumes – ausgewogene nachhaltige Mobilitätssysteme zu entwickeln. Der Vielfalt der Verkehrsträger und Verkehrsteilnehmer*innen ist dabei gleichberechtigt Sorge zu tragen.

Die steigenden Anteile an Singlehaushalten erhöhen den Pro-Kopf-Flächenverbrauch. Um dem entgegenzusteuern, sind gemeinschaftlich-flexible und innovative Wohnkonzepte in den Förderrichtlinien zu verankern und durch geeignete Maßnahmen zu unterstützen. Städtische Gesellschaften sollen dazu verpflichtet werden, einen Teil ihrer Projekte in offenen Wettbewerben der Errichtung neuer Wohnmodelle zu widmen.

Die Frankfurter Verwaltung soll weitere Spielräume für innovative klima- und ressourcenangepassten Konstruktionen schaffen. Analog zur zukunftsweisenden Frankfurter Hochhausrichtlinie ist in Ergänzung zur Novellierung der Muster-Holzbaurichtlinie eine Richtlinie für Holzhochhäuser voranzutreiben.

Nicht zuletzt verändert die Pandemie sprunghaft die Anforderungen an Lern-, Arbeits- und Verkaufsstätten sowie an das Wohnen und das Wohnumfeld. Neue Bedürfnisse und Gewohnheiten können positive Impulse für eine nachhaltige Stadt- und Bauentwicklung bieten. So ist in monofunktionalen Einkaufsgebieten eine stärkere Durchmischung anzustreben, Bürostandorte können durch flexible und multifunktionale Nutzungsszenarien aufgewertet werden. Die Qualität der öffentlichen Freiräume und des Fahrradverkehrs sind zu verbessern.

2. Energie- und Materialverbrauch: ganzheitlich im Lebenszyklus bewerten
Klimaneutrales Bauen erfordert eine ganzheitliche Bewertung der relevanten Umweltwirkungen.

Öffentliche Bauten in Frankfurt sollen ergänzend zum Energieausweis einen CO2-Bilanzausweis erhalten. Das verwendete Baumaterial, die technischen Anlagen und die verwendete Bautechnologie werden in dieser CO2-Bilanz ausgewiesen. Die Informationen sind mit Lebenszyklusbetrachtung in einer Datenbank zu führen und als zukunftsweisendes Instrument sichtbar zugänglich zu machen, um ein politisches und öffentliches Bewusstsein für Graue Energie zu fördern.

3. Einfach intelligent: Technik und Verbrauch reduzieren
Architektonisch-bauliche Lösungen, die weitestgehend ohne zusätzliche Technik eine Energie- und Materialeinsparung ermöglichen, erhalten Priorität.

Die seit 1998 erarbeiteten technischen Standards, die zu den Frankfurter Leitlinien zum wirtschaftlichen Bauen 2021 weiterentwickelt wurden, sind fortzuschreiben. Anforderungen an klimagerechte und technikarme Architektur sind zu ergänzen. Vorgaben von konkreten technischen Lösungen sollen durch ganzheitliche Zielformulierungen ersetzt werden, um innovative und experimentelle Entwicklungen zu ermöglichen.

4. Achtung des Bestands: Gebäude nachhaltig sanieren Zirkuläre Materialkreisläufe: weniger Abfall, mehr Wertstoffe
Der folgenlose Abriss bestehender Gebäude ohne Berücksichtigung des ökologischen Wertes der verbauten Ressourcen ist nicht länger hinnehmbar. Bauen muss vermehrt ohne Neubau auskommen.

In Frankfurt wird immer noch zu viel alte Bausubstanz abgerissen. Grundsätzlich ist zu prüfen, wie durch eine Förderung von Lebenszykluskosten- und Ressourcenbetrachtungen zukünftig Bestandssanierungen eine Option bieten können gegenüber Abriss und Neubau. Eine besondere symbolische Bedeutung kommt dabei dem Umgang mit den Städtischen Bühnen zu. Die Debatte darüber muss unabhängig vom Stadtverordnetenbeschluss zum Neubau wieder aufgenommen werden. Die dem Wirtschaftlichkeitsvergleich Neubau / Sanierung zugrundeliegenden Richtlinien sollen überarbeitet werden, um den Faktor Ökologie in Zukunft neu zu bewerten. In die Entscheidung über das weitere Vorgehen muss eine angemessene Bilanzierung des Ressourcenverbrauchs eines Neubaus und der Grauen Energie des Bestandsgebäudes einfließen. Ein Erhalt der Bausubstanz ist dann umsetzbar, wenn die baulich-technischen Anforderungen dem Bestand entsprechend definiert werden können. Es ist die Frage zu diskutieren, ob aufwändige Neubauten für Interimsspielstätten verzichtbar sind. Unter dem Stichwort „Frankfurt ist Oper“ und „Frankfurt Schau spielt“ können städtische Räume für eine dem breiten Publikum zugängliche experimentelle Theater- und Opernkultur geöffnet und genutzt werden.

5. Bodenpolitik: umwelt- und sozialgerecht
Bodenpolitik orientiert sich gleichermaßen am Gemeinwohl wie an einer ökologisch verantwortlichen Bodennutzung.

Frankfurt soll sich zu einer nachhaltigen Bodenbevorratung verpflichten und Instrumente des Städtebaus nutzen, die einer nachhaltigen Bodennutzung Vorschub leisten. Stadtentwicklungsvorhaben sind hinsichtlich ihrer bodenschonenden, ressourcengenerierenden und klimastabilisierenden Auswirkungen zu bewerten. Der Baulandbeschluss ist ein geeignetes Mittel, um nachhaltige und vielfältige Quartiere zu entwickeln. An ihm soll festgehalten werden. Grundstücke aus dem Besitz der Stadt sollen grundsätzlich im Konzeptverfahren vergeben werden, um nicht den maximalen Ertrag, sondern eine optimale Nutzung des Bodens zu gewährleisten. Es ist zu prüfen, inwiefern derartige Verfahren auch privaten Eigentümer*innen bei der Veräußerung ihrer Grundstücke auferlegt werden können, etwa im Zusammenhang mit einer wertsteigernden Erteilung von Baurecht. Städtische Grundstücke sind in Erbpacht zu vergeben. Ein abgestufter Erbbauzins fördert innovative Bauträger*innen und Baukultur. Investitionen fließen so in qualitativ hochwertige, klimagerechte und nachhaltige Gebäude und Nutzungskonzepte. Wertsteigernde Baurechtsänderungen sollen mit der Vergabe von Wettbewerben verknüpft werden, um die Qualität der zukünftigen Bebauung zu sichern.

Frankfurt braucht mehr Wohnungen, um soziale Integration zu fördern. Die ausschließliche Beschränkung auf versiegelten Boden schränkt die Entwicklung ganzheitlicher Konzepte extrem ein und führt zu kleinteiligen Einzelmaßnahmen. Quartiersgestaltung muss in Frankfurt vernetzte urbane Qualitäten mit hoher baulicher Dichte anstreben. Dazu sind ganzheitliche Flächenbilanzierungen erforderlich und mit Mobilitätsfaktoren abzuwägen. Öffentliche Frei- und Grünräume sind als integrierter Bestandteil der klimagerechten Stadt zu entwickeln.

6. Regionen: Städte und Gemeinden stärken
Flächenverbrauch und steigende Pendlerströme reduzieren.

Frankfurt in der Region entwickeln, bedeutet auch über die Stadtgrenzen hinaus zu denken. Ein attraktiver und ausgebauter Nahverkehr vernetzt die umliegenden Gemeinden stärker mit Frankfurt. Konkret fördert eine kurzfristige Reform der Tarifzonen über Stadtgrenzen hinaus eine Verlagerung des Individualverkehrs hin zum öffentlichen Nahverkehr. So werden regionale Qualitäten multidirektional gestärkt. Siedlungsgebiete sind in Quartiere umzuwandeln, die Dichte zu erhöhen und Nutzungen zu ergänzen. Bebauungspläne sind im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung zu überarbeiten, vorhandene Bebauungsdichten zu überprüfen und Möglichkeiten zur Innenentwicklungen zu öffnen. Für Frankfurter Dorfkerngebiete sollen nachhaltige Planungsstrategien erarbeitet werden, um Möglichkeiten zur behutsamen Nachverdichtung zu schaffen.

7. Öffentliche Auftraggeber: Pioniere des Wandels
Öffentliche Auftraggeber müssen ihre Rolle als Pioniere des ökologischen Bauens stärken.

Bei öffentlichen Bauprojekten ist ein substanzieller Anteil für innovative klima- und ressourcenangepassten Konstruktionen vorzusehen. Vergaben durch die Stadt sollen sich an ökologischen Standards orientieren. Auch städtische Gesellschaften sollen dazu verpflichtet werden. Dach- und Fassadenbegrünung sollen integrierte Elemente öffentlicher Bauten werden.


Hintergrund
Der BDA Bund Deutscher Architektinnen und Architekten verpflichtet sich als Berufsverband über seine Satzung zur Übernahme von Verantwortung gegenüber Gesellschaft und Umwelt. Der BDA Frankfurt engagiert sich parteiunabhängig mit seiner Expertise für ein nachhaltiges, soziales, zukunftssicheres und lebenswertes Frankfurt. Die oben genannten Forderungen richten sich an die politischen Akteur*innen der Stadt Frankfurt, die Entscheidungen über unsere gebaute Umwelt treffen. Der BDA bietet sich mit seinen Mitgliedern an, Expertenwissen in Entscheidungsprozesse einzubringen.

Im Namen des Vorstandes
Moritz Kölling
Vorsitzender

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