Themen

Joachim Schürmann zum 95. Geburtstag

24. September 2021

Großer BDA Preis 2008

Am 24. September 2021 feiert Joachim Schürmann seinen 95. Geburtstag. Geboren in Viersen, studierte er Architektur an der TU Darmstadt und ließ sich 1956 mit seinem ersten Büro in Köln nieder. Bis zu ihrem Tod 1998 arbeitete er mit seiner Frau Margot zusammen, so ist es wenig verwunderlich, dass auch die vier gemeinsamen Kinder Architekten geworden sind. 1966 kehrte Schürmann selbst als Professor für Entwerfen an die TU Darmstadt zurück. In den über vier Jahrzehnten seines Schaffens gewann das Büro Schürmann über 50 erste Preise bei Wettbewerben. Das Werk wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter der Deutsche Architekturpreis 1981 für den Wiederaufbau von Groß Sankt Martin und 1991 für das Postamt Köln 3. Der Bund Deutscher Architekten würdigte 2008 das Lebenswerk von Margot und Joachim Schürmann mit dem alle drei Jahre verliehenen Großen BDA-Preis.
Bemerkenswert an den Arbeiten des Büros Schürmann ist der innovative Gedanke, der jedem von ihnen innewohnt. Kurz nach der Gründung ihres Büros bauten Margot und Joachim Schürmann ihr eigenes Haus. 1957 sind sie dort mit vier kleinen Kindern und ihren ersten drei Mitarbeitern eingezogen. Doch Familie und Büro waren zu jung, um sich von einer Immobilie diktieren zu lassen, wie sie leben und arbeiten sollten. So wurde die Situation umgekehrt und ein Haus geplant, das den wandelnden räumlichen Bedürfnissen angepasst werden konnte. Und die waren von Anfang an alles andere als konventionell: eine kinderreiche Familie, eine berufstätige Mutter, Wohnen und Arbeiten unter einem Dach. So konnte auch das Haus nicht dem Duktus der betulichen Nachbarschaft entsprechen und Vermutungen wurden laut, bei dem eingeschossigen Stahlskelettbau handele es sich um eine Tankstelle.

©Elke Wetzig
©Elke Wetzig
Haus Schürmann, Enckestraße 2, 1957 | © Elke Wetzig

Dicht umschlossen von hohen Bäumen und üppigem Grün sitzt der seit 1998 denkmalgeschützte Bau heute auf dem Eckgrundstück, auf dem vor Baubeginn noch der letzte Weizen geerntet wurde. Zwei gleichlange Riegel, einer Büro, einer Wohnen, stoßen in einem rechten Winkel aufeinander. Den Büroriegel, der erst zur Terrasse, dann zur Garage wird, spiegelt eine bis zur Grundstücksgrenze verlängerte Pergola, die Haus und Garten zu einer formalen Einheit fügt. Erschlossen werden beide Trakte über nebeneinanderliegende Türen an der Schnittstelle der beiden Riegel. Doch der Wunsch war groß, dass Wohnen und Arbeiten genauso eins werden sollen, wie drinnen und draußen. So finden sich in diesem Haus keine Brüche, keine Schwellen und keine Hierarchie, wohl aber die ordnende Struktur des Stahlskeletts, die es erlaubt, Wände mit einer raumhohen Verglasung zu öffnen oder mit Schiefer und Holz zu schließen und Räume, dem Bedarf entsprechend, zu vergrößern oder abzutrennen. Dieses Haus war ein Experiment und betrachtet man es heute, hat es von seiner Modernität nichts verloren. Leben mit der Architektur und für die Architektur – diesem Ideal ist selten jemand so überzeugend nahegekommen.
Der Bau des Bonner Abgeordnetenhauses, das 1991 erst durch ein Hochwasser massiv beschädigt wurde und dann von seinen zukünftigen Nutzern wegen des Regierungsumzugs noch vor der Fertigstellung verlassen wurde, bedeutete für das Büro, aber auch für den Menschen Joachim Schürmann eine tiefe Krise. Heute jedoch trägt das Gebäude, das als Funkhaus für die Deutsche Welle vollendet wurde, stolz den Namen seines Erbauers – es ist der Schürmannbau. Schürmannbauten gibt es zahlreiche, Kirchen, Wohnhäuser, Verwaltungsbauten, Schulen – viele von ihnen waren ihrer Zeit weit voraus und regten damit immer wieder zur Diskussion über das Mögliche und Unmögliche an.

Unsere herzlichen Glückwünsche gehen heute an Joachim Schürmann, wir haben ihm viel zu verdanken!

BDA NRW | Text Uta Winterhager