Themen

, , ,

RÜCKBLICK – LESS IS MORE – ARCHITEKTUR DES POSITIVEN VERZICHTS IN DER STADT

4. Februar 2022

Stadtluft
Less is more – Architektur eines positiven Verzichts in der Stadt

Nach der Region nahmen am zweiten Abend der Gesprächsreihe „Less is more“ Ulrike Klar, im Referat für Stadtplanung und Bauordnung der Stadt München zuständig für Stadtsanierung und Wohnungsbau, Frank Eckardt vom Institut für Europäische Urbanistik der Bauhaus- Universität Weimar und Tim Rieniets vom Institut für Entwerfen und Städtebau der Leibniz Universität Hannover die Stadt in den Fokus ihrer Betrachtung.

Foto: A. Heupel
Foto: A. Heupel
David Kasparek, Frank Eckardt, Tim Rieniets und Ulrike Klar bei der Podiumsdiskussion

Frank Eckardt erinnerte an die Gefahr der „Green Gentrification“, die bei vielen Transformationsprozessen schon heute zu beobachten sei und sich künftig nicht potenzieren dürfe. So zeige sich etwa, dass Wohnlagen durch die Einführung von Tempo 30-Zonen derart aufgewertet würden, dass die ohnehin schon deutlichen Verdrängungsprozesse in unseren Städten noch verstärkt würden. Wo sich nur noch Reiche und besser Verdienende eine Wohnung leisten können, bilden sich schon heute homogene Viertel. Diese Form der Segregation gelte es mit Blick auf die notwendigen Transformationen unserer Gesellschaft unbedingt zu verhindern. Ohnehin, das betonte Frank Eckardt, seien es auch hierzulande nicht die Empfänger:innen von staatlichen Leistungen und die gering Verdienenden, die für die entstehenden CO2-Emissionen und Umweltverschmutzungen verantwortlich sind. So gelte es, durch faire Mechanismen diejenigen zur Verantwortung zu ziehen, die durch ihren von Wohlstand angetriebenen Lebenswandel die entsprechenden Emissionen verantworteten. Außerdem plädierte Eckardt mit Blick auf das Wohnen im Alter und das Leben jenseits von ÖPNV-Anbindung oder Einkaufsmöglichkeiten für eine Abkehr des hierzulande immer noch propagierten „Traums vom Einfamilienhaus“.

Foto: A. Heupel
Foto: A. Heupel
David Kasparek_Moderation, Frank Eckardt_Institut für Europäische Urbanistik, Bauhaus- Universität Weimar

Tim Rieniets stieß ins selbe Horn und arbeitete in der Folge die Vorteile des Lebens in der Stadt heraus. Wo sich viele Menschen einen Wohnblock teilten, teilten sie sich eben nicht nur die Grundfläche, sondern auch die notwendigen infrastrukturellen Aufwendungen. Angefangen von Straßen, über Beleuchtung, Strom und Entwässerung bis hin zum notwendigen Anlieferverkehr: es macht einen erheblichen Unterschied, wie dicht wir wohnen. Zudem, das arbeitete Rieniets anhand von eindrücklichen Zahlen heraus, befeuere diese Dichte auch Kreativität. Kultur entstehe dort, wo viele Menschen aus unterschiedlichen Schichten und mit verschiedenen Herkünften zusammenlebten. Ein Problem machte aber auch Rieniets aus: der Untertitel der Reihe. „Menschen verzichten einfach nicht sonderlich gerne.“ Deswegen gelte es, das Gute zu betonen und beispielsweise anhand der Stadt zu erkennen, welche positiven Aspekte schon vorhanden sind, um diese anschließend zu stärken. Das Potential dazu brächten Städte als Innovationsmotoren unserer Gesellschaft schließlich mit.

Foto: A. Heupel
Foto: A. Heupel
David Kasparek_Moderation, Frank Eckardt_Institut für Europäische Urbanistik, Bauhaus- Universität Weimar, Tim Rieniets_Institut für Entwerfen und Städtebau, Leibniz Universität Hannover

Aus Oberbayern via Video zugeschaltet erläuterte Stadtdirektorin Ulrike Klar im Anschluss, wie die Stadt München im „Prinz Eugen Park“ die größte Holzbausiedlung Deutschlands auf einem ehemaligen Kasernenareal erstellt. Auf rund 30 Hektar werden hier etwa 1.800 Wohnungen gebaut, 566 davon in Holzbauweise, dazu eine Schule, sieben Kindergärten und ein Bürger:innenzentrum. Die „ökologische Mustersiedlung“, so Klar, realisierten städtische Gesellschaften, Genossenschaften und Baugemeinschaften. Mittels einer Konzeptvergabe solle ein Preiswettbewerb verhindert und sowohl architektonische wie ökologische Qualitäten von hoher Güte ermöglicht werden. Als mögliche Auswahlkriterien bei der Vergabe nannte Klar kostengünstiges Bauen, Nahmobilitätskonzepte, gemeinschaftsfördernde Maßnahmen und Energie sowie Ökologie. Zur Bewertung lege die Stadt dafür eine Matrix zugrunde. Dabei vergebe München Grundstücke nur noch nach Erbbaurecht, die Grundstücke bleiben so in städtischem Besitz. Bemerkenswert auch: Um zu bemessen, was ein Holzbau ist, ab wie vielen Kilogramm Holz in und am Gebäude man von einem Holzbau sprechen kann, hat die Stadt in Kooperation mit der TU München und der Ruhr-Universität Bochum zur Bemessungsgrundlage gemacht, wie viele Kilogramm nachwachsende Rohstoffe (nawaro) pro Quadratmeter Wohnfläche verbaut wurden. Je nachdem wie viele „nawaros“ verbaut sind, ordne die Stadt den Bau entsprechend einer Matrix in drei Stufen bis zum „Reinen Holzbau“ ein, bei dem 90 bis 120 kg nawaro / m2 Wohnfläche verbaut sein müssen.

 

Foto: A. Heupel
Foto: A. Heupel
Tim Rieniets_Institut für Entwerfen und Städtebau, Leibniz Universität Hannover, Ulrike Klar_Stadtsanierung und Wohnungsbau, Referat für Stadtplanung und Bauordnung München

Das Video der drei Impulsvorträge und der anschließenden Diskussion mit Moderator David Kasparek finden Sie hier:

 

Downloads

Partner