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Nachruf auf Bernd Albers

29. April 2022

Thomas Dietzsch
Thomas Dietzsch
Bernd Albers, *20.07.1957   †19.04.2022

Dieser Nachruf auf den Architekten Bernd Albers erfolgt nicht allein aus der Sicht des Kollegen und Wegbegleiters, sondern mit dem Blick eines langjährigen und engen Freundes.Das Foto zeigt Bernd Albers, angelehnt an einen der Pilaster im Inneren der Capella Pazzi von Filippo Brunelleschi vertieft in die Betrachtung dieses wunderbaren Raumes, der sich angesichts der Auflösung seiner Umfassungsmauern in Pilaster und Wandflächen nach aussen zu öffnen scheint. Es ist entstanden auf einer unserer gemeinsamen Architekturreisen mit Thomas Dietzsch und Fritz Neumeyer. Mich erinnert diese Aufnahme von Bernds nachdenklichem Staunen an eine Skizze Friedrich Gillys von 1794, auf der er sich, angelehnt an einen Bündelpfeiler mit verschränkten Armen und eben jenem staunendem Blick den gotischen Gewölberippen folgend, aus dem Inneren des Refektorium der Marienburg nach Draußen träumt. Beides sind Momentaufnahmen einer Identifikation mit Architektur, ihrer erkennenden Betrachtung und Beschreibung, die letztendlich die Grundlage des eigenen Schaffens wird. Die Pazzi-Kapelle ist ein Beispiel jener ‚Aufregenden Architektur’, die sich Bernd Albers zum Vorbild seiner eigenen Arbeit gemacht hat, präzise zwischen aufgeregter und aufregender Architektur unterscheidend. In dieser Hinsicht war er neugierig. Er nannte seine Art der Neugier ‚Altgier’ und führte durch diese Verdrehung der Begriffe die übliche Unterscheidung der Architektur in alt und neu, modern und historisch, ad absurdum.

Ich habe Bernd 1990 bei einem Entwurfsseminar im damaligen Atelier der Galerie Aedes am Savignyplatz kennengelernt. Die Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen hatte sieben Berliner- und sieben Kiewer Architekten eingeladen um herauszufinden, wie und ob Geschichte architektonisch produktiv gemacht werden kann. Als Ort für diese Aufgabe hatten Sie ausgerechnet den Mauerstreifen zwischen Potsdamer Platz und Schillingbrücke gewählt. In diesem Bereich zerschnitt die Mauer buchstäblich die Stadt. Die Fragestellung dieses Entwurfsseminars trug unverkennbar die Handschrift von Bernd Albers. Wie in der Architektur, ging es ihm auch beim Städtebau immer um Inhalte. Das Ergebnis dieses Seminars, war eine Morphologie öffentlicher Räume, die sich, analog zu den ‚Städten’ Friedrichstadt, Heinrich Heine- und Otto Suhr-Siedlung, sowie Luisenstadt, entlang des ehemaligen Todesstreifens aufreihten. Diese Studie blieb die einzige Zusammenarbeit zwischen uns beiden.

Die Zeit ist über unsere Lesart der Stadt und das ‚aufregende’ städtebauliche Konzept längst hinweggegangen, aber unsere Freundschaft, unser gedanklicher Austausch und fachlicher Diskurs trug bis in unsere letzten gemeinsamen Stunden. In einem unserer frühen Gespräche hat er berichtet, wie er in Zürich bei den ersten Fernsehbildern vom Fall der Berliner Mauer sofort entschied in diese Stadt zurückzukehren. Das entsprach ganz dem Selbstverständnis eines Architekten, der seine Aufgabe vor allem in seiner Verantwortung für die Gesellschaft sah. Sein umfassendes Wissen um die Stadtbaugeschichte Berlins und der Europäischen Stadt war eine der Grundlagen, um dieser Verantwortung gerecht zu werden. Architektur und Städtebau waren für Bernd von jeher zwei Seiten einer Medaille.

Diese Verantwortung war für ihn auch eine Aufforderung zur Lehre, an der ETH Zürich, an der internationalen Sommerakademie in Karlsruhe, an der Universität Bologna, Campus in Cesena und seit 25 Jahren in Potsdam. Sie bedeutete ihm aber auch ein Engagement im BDA, im Berliner Werkbund, im AIV zu Berlin-Brandenburg. Zu welchen städtebaulichen Planungen und Bauten sie ihn geführt hat ist hinlänglich bekannt. Seine Bauten, ob in Berlin, Frankfurt oder Stuttgart sind zu einem festen Bestandteil der Stadtbilder geworden, seine städtebaulichen Planungen sind prägnant und strukturbildend. Besonders das Planwerk Innenstadt Berlin 1999, der prämierte Entwurf im Städtebaulichen Ideenwettbewerb, Berlin-Brandenburg 2070’ von 2020 und sein Projekt im laufenden Wettbewerb zum Molkenmarkt sind sein Vermächtnis an Berlin. Die beiden letzteren Projekte entstanden gemeinsam mit Silvia Malcovati, die zusammen mit dem langjährigem Büroleiter Stefan Lotz das Büro Bernd Albers weiterführen wird.

Er ist viel zu früh gegangen. Sein analytischer Blick, seine deutlichen Worte, seine klare Haltung wird uns fehlen, im städtischen Diskurs, in den architektonischen Debatten und im persönlichen Dialog.

Dieter Eckert

Die Trauerfeier findet in der Kapelle des Alten St.-Matthäus-Kirchhofs in der Großgörschenstraße 12-14 in Berlin-Schöneberg am Donnerstag, den 12. Mai 2022 um 10 Uhr statt.

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