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Rundgang Bonner Stadthaus am 29.10.22

18. November 2022

Als 1969 der Architekturwettbewerb für das Bonner Stadthaus durchgeführt wurde landeten amerikanische Astronauten gerade zum ersten Mal auf dem Mond. Die Welt erschien unbegrenzt, man machte überall große Pläne und räumte in der Inneren Bonner Nordstadt (die heute als sogenannte „Altstadt“ mit Kirschblütenträumen einiges über Gentrifizierung erzählen kann) einen großen Block ab, um die neue Verwaltungs-Stadtkrone realisieren zu können. 2022 ist die Klimakrise akut und das Bonner Stadthaus schwer sanierungsbedürftig, sodass nicht erst seit gestern laut über dessen Abbruch nachgedacht wird. Doch andererseits diskutiert die Bauwelt gerade ein Abrissmoratorium, um den Übergang eine eine klimafreundliche Umbaukultur zu bewerkstelligen.

Der Rundgang erkundete, was diese Geschichte für das Stadthaus bedeutet könnte. Vorläufig hat es jedenfalls noch eine Gnadenfrist, weil eine dringende Sanierung am Tragwerk im laufenden Betrieb ausgeführt werden kann und die Bonner Stadtverwaltung nun doch nicht überstürzt ausziehen muss. Trotz seines schlechten Zustandes muss man die Qualitäten des Baus nach Entwurf von Heinle, Wischer und Partner eigentlich nicht lange suchen – ähnlich wie beim inzwischen sehr beliebten Olympischen Dorf in München, welches das Büro kurz vor dem Bonner Stadthaus errichtet hatte.

Das immense Bauvolumen ist so auf fünf Türme verteilt, das keine Ansicht des Gebäudes der anderen gleicht, die Fassade war ursprünglich stark spiegelnd und bildete durch vorgehängte Brüstungsplatten eine reliefierte Oberfläche aus. Oft als unübersichtlich kritisiert, bot die Erschließung für Fußgänger auf der Plus-1-Ebene ehemals vielfältige Zugänge und Durchgänge in den Stadtraum. Kunstwerke wie der Spiegelturm „Chronos 15“ von Nicolas Schöffer stehen für eine optimistische urbane Zukunftsvision. Für das Leitsystem am und im Gebäude konnte mit Anton Stankowski damals ein innovativer Pionier des Kommunikationsdesigns gewonnen werden. In den Büroetagen staunen nicht nur Fans von Siebziger-Jahre-Interieurs über die Langlebigkeit damaliger Büromöbel und die vor wenigen Jahren noch als hoffnungslos veraltet geltenden Großraumbüros sind in Zeiten von „new work“-Konzepten wieder anschlussfähig geworden.

Eines der aus heutiger Sicht größten Fehlleistungen des Stadthauses, der vom umgebenden Stadtraum her dominante Parkdeck-Sockel des Gebäudes, bietet zugleich manche Chancen für Umbau und Neunutzung. Auch das Potential der Obergeschosse und Dachflächen ist noch längst nicht aktiviert: Von hier oben werden die imagebildenden Fotos von Bonn gemacht, auf denen das Stadthaus selbst nicht zu sehen ist, aber das historische Zentrum, das Bundesviertel mit dem Posttower und das Siebengebirge sich scheinbar wie von selbst zu einer Einheit fügen. Wäre die Inwertsetzung dieses blinden Flecks mit Skylounge, Bürgerforum oder etwas Ähnlichem nicht ausgesprochen naheliegend?

Für Sanierung und Umbau des Stadthauses hat ein Team des BDA Bonn-Rhein-Sieg im Sommer drei vielversprechende Fallstudien entwickelt. Eine davon entwirft eine modernisierte Verwaltungszentrale mit Highpark und pavillonartigen Betonungen der Grundstücksecken, eine andere greift die schon vor Jahren ins Spiel gebrachte Idee einer Blockrandbebauung auf, das Modell „Urban Cosmos“ lässt die Stadtverwaltung ganz ausziehen und imaginiert mit unterschiedlichsten Nutzungen eine pluralistische neue Identität der Großstruktur.

Die Klimakrise als fundamentale Verunsicherung bietet heute den Anstoß für die Neubewertung des Baubestandes. Klar ist aber auch: Das Bonner Stadthaus lässt sich nicht auf seine graue Energie und die vorteilhafte CO2-Bilanz bei einem Erhalt reduzieren. Das Gebäude ist Baukultur und sich darauf einzulassen, hat auch bei diesem Rundgang vielen Freude gemacht.

Alexander Kleinschrodt