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Der Holzbau wird durch die Musterholzbau-Richtlinie ausgebremst! Positionspapier des BDA

17. April 2023

Jan Bitter
Jan Bitter
Scharabi Architekten mit Anne Raupach

DER HOLZBAU WIRD DURCH DIE MUSTERHOLZBAU-RICHTLINIE AUSGEBREMST!

Positionspapier des Bundes Deutscher Architektinnen und Architekten BDA
Noch in diesem Jahr steht eine Fortschreibung der Musterholzbau-Richtlinie auf Grundlage neuester Erkenntnisse aus Forschung und Entwicklung an. Nach Ansicht des BDA sind die Potentiale der Bauweisen mit Holz im Rahmen der umzusetzenden Bauwende noch nicht vollständig realisiert. Um weitere Innovationen zu ermöglichen und die baupraktische Umsetzung zu befördern, bietet der BDA bei den anstehenden Bemühungen um eine Weiterentwicklung der Musterholzbaurichtlinie die Expertise seiner im Holzbau erfahrenen Mitglieder an und veröffentlicht diese Stellungnahme:

Die Musterholzbau-Richtlinie (MHolzBauRL 10/2020) soll auf Grundlage neuster Erkenntnisse aus Forschung und Entwicklung fortgeschrieben werden und wie die bisherige als Regelwerk die Realisierung von Holzbauten in der Gebäudeklasse (GK) 4 und 5 vereinfachen.

Bereits mit der aktuell geltenden Fassung trat eine Standardisierung in Kraft, welche den Holzbau zwar für die Gebäudeklassen 4 und 5 regelt, aber weiterhin den bauordnungsrechtlichen Vorrang der Materialqualität gegenüber der Leistungsfähigkeit der Bauarten ausspielt. Dieses grundsätzliche Dilemma muss bei der Überarbeitung zwingend gelöst werden.

Abweichungen sind nach der gültigen MHolzBauRL nur noch unter Berücksichtigung von allgemeiner Bauartgenehmigung (aBG) oder vorhabenbezogener Bauartgenehmigung (vBG) möglich. Innovationen aus der forschenden Praxis werden damit durch lange Bauartgenehmigungszeiten erschwert.

Die Anwendung der aktuellen Richtlinie hat zur Folge, dass die CO2-Bilanz von Holzbauten, z.B. durch Kapselung der Sichtholzflächen durch Gipsbaustoffe, konterkariert wird und sich dadurch die CO2-Bilanz der Wand- bzw. Deckenflächen deutlich verschlechtert. Das 1,5°C-Ziel rückt damit in weitere Ferne.

Darüber hinaus wird durch die Verwendung von Kompositstoffen, wie es die MHolzBauRL fordert, eine sortenreine Trennung der Baustoffe am Ende eines Gebäude-Lebenszyklus erschwert. Die weitreichende Bevorzugung von mineralischen Baustoffen und die Verhinderung von biogenen, CO2-einlagernden Baustoffen erschwert das Wirtschaften in Kreisläufen und führt im besten Fall zu Downcycling-Prozessen mit höchsten Anteilen an ungenutzter grauer Energie. Die Zielkonflikte zwischen der Förderung von Holzbau und Vermeidung von ressourcenintensiven Kapselungen und Abfallaufkommen müssen beantwortet werden.
Auch die Holztafelbauweise, als bauphysikalisch optimierte, «ressourcenschonende Leichtbauweise», muss in der Gebäudeklasse 5 ermöglicht werden.

Ein Großteil der in Deutschland realisierten mehrgeschossigen Gebäude in Holzbauweise wären mit der vorliegenden MHolzBauRL nicht mehr genehmigungsfähig. Das nachhaltige Planen und Bauen mit nachwachsenden CO2-einlagernden Rohstoffen gerät in der aktuellen Fassung in Not. In vielen Bundesländern stellt die MHolzBauRL einen Rückschritt gegenüber den geltenden Bauordnungen dar. Die zusätzliche Erstellung von ergänzenden Verwaltungsvorschriften der Länder, wie es z.B. das Land Baden-Württemberg vorsieht, konterkariert u.E. das Grundziel der MHolzbauRL, eines bundesweit geltenden Regelwerks zur Förderung des Holzbaus.

Das eingeführte Schutzziel der Gebäudeerhaltung, d.h. Sachwertsicherung, der MHolzbauRL legt nahe, dass ein mineralisch erstelltes Gebäude nach einem Vollbrand weitergenutzt werden kann. Das Gegenteil ist der Fall. Im Gegensatz zu Stahlbeton- und Stahlbauten kann für einen Holzbau, welcher auf Abbrand dimensioniert ist, die Standsicherheit auch nach einem Brandereignis nach-gewiesen und ertüchtigt werden. Um das Nachhaltigkeitspotenzial des Holzbaus komplett zu aktivieren, benötigen wir dringend eine Erweiterung des Schutzzieles Personenrettung um das Schutzziel Klimarettung.

Architektonische und baukulturell relevante Einschränkungen wie der Anteil an Sichtholzflächen im Innenraum, sowie Fassadenbekleidungen in Holz werden ohne Berücksichtigung bereits realisierter Praxisbeispiele ausgeschlossen, das Wissen aus den Bauvorhaben wird nicht berücksichtigt. Es bedarf weniger einer Fortschreibung, als einer Neufassung der MHolzBauRL unter breiter Beteiligung praktizierender Architektinnen und Architekten, um zukunftsweisende Innovationen in eine breite baupraktische Anwendung überführen zu können.

Im Namen der Bauwende fordert der BDA die Novellierung der Musterholzbaurichtline unter Einbeziehung praktizierender Architektinnen und Architekten!

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