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Leerstand provoziert: Das BDA-Symposium auf der Biennale

23. Mai 2023

Leon Lenk Fotografie
Leon Lenk Fotografie

Der deutsche Beitrag der Architektur-Biennale 2023 will keine Ausstellung sein, sondern ein Prozess. Der BDA bespielt traditionell am ersten öffentlichen Biennale-Tag den deutschen Pavillon mit einem Symposium. Waren wir also diesmal Teil eines Prozesses? Das kann man durchaus so sehen.

Der Pavillon ist zum Materiallager für säuberlich sortierte und katalogisierte Bauabfälle umfunktioniert worden, die von 40 Länderbeiträgen der letztjährigen Kunstbiennale übrig geblieben sind und ansonsten entsorgt worden wären. Nun dienen sie einer öffentlich benutzbaren Werkstatt im Pavillon für diverse Reparaturarbeiten. Beispielhaft wurde das durch die Kuratorinnen und Kuratoren umgesetzt, indem eine geschwungene inklusive Rampe vor den Pavillon so geschickt gesetzt wurde, dass man sie als „einfach schon immer da“ liest. Das dadurch gebildete halbkreisförmige Plateau vor dem Bau aus Resten eines ukrainischen Kunstwerks gab jedenfalls den Schauplatz des BDA-Symposiums „Leerstand provoziert – Gemeinwohlorientierte Bestandsaktivierung“ ab.

Susanne Wartzeck rief eingangs zum „gemeinschaftlichen, kooperativen Handeln“ angesichts – in Venedig durchaus vorhandener – Leerstandsproblematik auf, zum „Ausstieg aus der Wachstumslogik“ angesichts der kollektiven Aufgabe des Klimaschutzes. Juliane Greb sprach für den deutschen Beitrag und nannte ihn eine „Instandbesetzung“ des Pavillons. Rhetorische Ähnlichkeiten zur Hausbesetzerszene der 1980er Jahre sind gewollt.

Chiara Buratti von der „Assemblea Sociale per la Casa“ nannte einige Zahlen: Die Bevölkerung des Centro Storico von Venedig ist in den letzten Jahrzehnten von 80.000 auf unter 50.000 zurückgegangen; von rund 12.000 kommunalen Sozialwohnungen stehen zehn Prozent leer. Hier setzen die Aktivisten an, indem sie Wohnungen besetzen und wieder herrichten.

Matthias Marschner von hirner & riehl architekten (München) wurde von Wartzeck mit seinem „rebellischen Ansatz“ beim Projekt Bellevue di Monaco eingeführt. Das angeblich unsanierbare Gebäude, das die Stadt München meistbietend auf Abriss veräußern wollte, wurde mit minimalen Eingriffen zu einem Wohn- und Kulturzentrum für Geflüchtete umgenutzt. Ein löbliches Einzelbeispiel? Marschner sieht hier eine Bewegung für etwas, ein positives Beispiel, das in die Stadtgesellschaft hineinleuchtet, das aber auch ein gesellschaftliches Engagement erfordert, das „sämtliche Ressourcen frisst“.

Frank Adloff, Professor für Soziologie an der Universität Hamburg, sieht trotz ähnlicher Initiativen, dass der Mainstream der Immobilienwirtschaft in die andere Richtung weist. Dort werde postuliert, dass neue Technologien alles richten sollen. Daher müsse, so Adloff, ein gesamtökonomischer Rahmen gesetzt werden, um gemeinwohlorientierte Initiativen zu stärken.

Susanne Wartzeck fragte, ob dies nicht auch eine gewisse Form von Sozialromantik sei. An der Stelle wurde Marschner deutlich: Er sieht einen Antagonismus zwischen der Ökonomie der Grundbedürfnissse versus – Kapitalismus. „Geld ist nicht Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck!“ Er äußerte die Hoffnung, dass genossenschaftliche Modelle, die ja schon im 19. Jahrhundert als Alternative zu staatskapitalistischen Ansätzen aufgekommen waren, eine große Zukunft haben mögen. Susanne Wartzeck schloss mit dem Appell, die jeweilige Aufgabe jedenfalls stets mutig zu hinterfragen.

Applaus. Der venezianische Nieselregen hat das Publikum jedenfalls nicht davon abgehalten, bis zum Ende interessiert zuzuhören. (-tze)