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Nachruf auf Eberhard Schunck

9. Mai 2023

21. April 1937 – 13. März 2023

Eben noch hatten Freunde und Kollegen eine umfangreiche Broschüre erhalten, die sein Lebenswerk als Architekt dokumentiert – und dann die nicht nur überraschende, sondern bestürzende Nachricht, dass Eberhard Schunck gestorben ist, in Folge einer tragisch verlaufenen Knie-Operation. Wie sehr er geschätzt wurde, wie vielfältig sein Freundeskreis war, weit über die Architektenschaft hinaus, bewies die große Trauergemeinde in der Aussegnungshalle des Münchner Westfriedhofs. Beim Abschied erteilte ihm Winfried Nerdinger in seiner Rede den postumen Ritterschlag: „Eberhard Schuncks Bauten sind völlig unprätentiös, nirgends drängt sich der Architekt in den Vordergrund, um seine Handschrift zu zeigen oder um Aufmerksamkeit zu erregen. Die Bauten sind für die Nutzer, für deren Zwecke und zu deren Wohlbefinden entworfen. Und genau das macht sie bedeutsam. Architektur ist immer auch ein Spiegel des Charakters des entwerfenden Architekten. Eberhards Bauten sind Teil seiner Persönlichkeit. Sie funktionieren perfekt und zuverlässig, sie sind angenehm und freundlich, sie entstanden ohne Skandale und sie sind gestalterisch und konstruktiv gekonnt.“

Der Kosmos von Eberhard Schunck offenbarte sich besonders eindrücklich, wenn er Geburtstag feierte. Und er konnte feiern, etwa seinen Achtzigsten 2017 im Palmenhaus von Schloss Nymphenburg. Über einhundert Gäste waren versammelt, neben Familie und Freunden, früheren Partnern und Mitarbeitern auch Kollegen aus der Wissenschaft und aus dem BDA. An jedem Tisch wurde der Jubilar gerühmt – als aufrechter und zugleich neugieriger Mensch, als Liebhaber von Kunst und Literatur, nicht zuletzt als engagierter Vorsitzender der Genossenschaft „Olywelt“ in seinem Wohnort Olympiadorf. Bei der Feier zeigte sich der gebürtige Augsburger ganz persönlich. Er verfügte ja über einen treffenden Witz, geradezu typisch war sein manchmal spitzbübisches Lächeln. Zu seinen Eigenarten gehörte auch, dass er nur dann sprach, wenn er wirklich etwas zu sagen hatte. So konnte er mit Aufmerksamkeit rechnen, wenn er bei Veranstaltungen des BDA oder beim Besuch von Ausstellungen das Wort ergriff.

Eberhard Schunck „zählt zweifellos zu den erfolgreichsten Architekten der Nachkriegszeit in Bayern“ (Nerdinger). Nach seinem Studium der Architektur an der damaligen Technischen Hochschule München und Mitarbeit im Büro von Professor Gerhard Weber eröffnete er 1967 sein eigenes Architekturbüro. Von Beginn an haben seine freiberufliche Tätigkeit zwei Besonderheiten geprägt: zum einen die Zusammenarbeit mit Kollegen, anfangs vor allem mit Michael Gaenßler und Theodor Hugues bei gemeinsamen Entwürfen, später mit seinen langjährigen Partnern Dieter Ullrich und Norbert Krausen, deren eigene Verdienste im Büro-Team er stets betonte. Zum zweiten hat Eberhard Schunck seine Erfolge überwiegend bei Wettbewerben erzielt, wobei von rund fünfzig nur sechs eingeladen waren.

Das Büro Schunck und Partner hat auch Wohngebäude entworfen (darunter das markante Wohnhaus Goetz in München-Oberföhring), Verwaltungsbauten und Krankenhäuser. Die Schwerpunkte bildeten jedoch Bauten für die Bildung sowie für die Kirche. Für den ersten Bereich seien als herausragende Beispiele in Eichstätt das Schulzentrum (1977) und die Sprachheilschule (1993) genannt, in München die Grundschule an der Schäferwiese (2000). Doch mit gutem Grund hat ein sakrales Bauwerk die meisten Auszeichnungen erhalten: das 1986 fertig gestellte Ökumenische Kirchenzentrum in Nürnberg-Langwasser. Die in zehn Baukörper gegliederte Anlage ist nicht nur eine städtebauliche Leistung. Faszinierend ist auch ihre homogene Erscheinung durch das Sichtmauerwerk aus hellen Betonsteinen, das bis in die Details hinein Qualität vermittelt. Dabei zeigt die „wohnliche“ evangelische Kirche eine große Nähe zur unprätentiösen Sakralarchitektur in Skandinavien. So spannte sich ein Bogen von Le Corbusier als frühem Vorbild von Eberhard Schunck bis hin zu Peter Zumthor, den er in seinen späten Jahren als „meinen Liebling“ bezeichnete.

Neben dem praktizierenden Architekten gab es aber auch den Lehrer, der als Professor an der Universität Stuttgart (1984 bis 1991) wie auch in München an der TU-Fakultät für Bauingenieurwesen (1992 bis 2002) kräftige Spuren hinterlassen hat. Stets war es sein Anliegen, das Geschichtsbewusstsein und die ästhetische Bildung der Bauingenieure zu stärken. Nicht zuletzt war Eberhard Schunck ein geschätzter Fachautor. Neben der Reihe „Beiträge zur Geschichte des Bauingenieurwesens“ mit 12 Heften ist er vor allem durch sein Standardwerk „Dachatlas geneigte Dächer“ international bekannt geworden, das in sieben Sprachen übersetzt wurde, unter anderem ins Chinesische. Nun ist er im Alter von 85 Jahren in München gestorben. Auch der BDA Bayern trauert um einen außerordentlich profilierten Architekten. Beim Abschied geizte Winfried Nerdinger nicht mit höchstem Lob: „Eberhard war der gebildetste Architekt, den ich kannte.“

Wolfgang Jean Stock