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Nachruf auf Helmut Braun (1934–2023)

21. September 2023

© Patrick Steinweden, patspix
© Patrick Steinweden, patspix

Am 16. März 1934 in Coburg geboren – am Datum, lässt sich ablesen viel zu jung, um 5 Jahre später Soldat werden zu müssen, alt genug, um den Krieg in seinen Ausmaßen erleben zu müssen. Diese Zeit war wenig geeignet, um auf eine gute schulische und berufliche Ausbildung zu hoffen. Helmut Braun wurde noch in Coburg eingeschult, aber bald wurde der Vater als Angestellter der AOK nach Sossnowitz (früheres Oberschlesien) versetzt, die Familie folgte und blieb dort bis 1944. In den stärker werdenden Kriegswirren half die Flucht nach Westen zu überleben, wieder ging es nach Coburg. Die Familie war in der Altstadt in viel zu engen Verhältnissen untergebracht, die Kinder spielten draußen, rund um den Schlossplatz. Der Vater kam erst 1947 aus der Kriegsgefangenschaft, die Familie war inzwischen in Bad Hersfeld untergekommen. In einem Haus fand die Familie im zweiten Stock eine Bleibe, im ersten Stock lebte eine Familie mit zwei Töchtern, die ältere sollte später Helmut Brauns Frau werden.

© Alte Oper Frankfurt, Foto: Norbert Miguletz
© Alte Oper Frankfurt, Foto: Norbert Miguletz
Wiederaufbau Konzert- und Kongresshaus: Alte Oper, Frankfurt am Main, 1981 | Braun & Schlockermann und Partner in Bürogemeinschaft mit Ingenieurbüro Heinrich Keilholz in Zusammenarbeit mit Wolfgang Braun und Inge Voigt

Der väterliche Rat sorgte dafür, dass Braun als Schulabbrecher eine Handwerkerlehre machen sollte, um im zerstörten Land beim Aufbau zu helfen. Eine Zimmermannslehre war die folgerichtige Entscheidung. Aber bald wollte er mehr aus seiner beruflichen Zukunft machen und besuchte deshalb die Handwerkerfachschule in Alsfeld, wo er die Hochschulreife erlangte. Das Interesse an Architektur muss in dieser Zeit geweckt worden sein, was den Besuch der Ingenieurschule in Kassel erklärte. Nach dem Studienabschluss fand Helmut Braun eine erste Anstellung in einem Bad Hersfelder Architekturbüro. Auch hier ist der Zufall Gestalter des Lebenslaufes, denn in diesem Büro traf er auf seinen späteren Partner Martin Schlockermann. Bald schon wechselte er nach Essen für eine neue Tätigkeit und ab 1961 fand Helmut Braun seine Zukunft in Frankfurt am Main, ebenso wie Martin Schlockermann. Beide hatten bis zu ihrer Bürogründung 1964 im Architekturbüro Schlempp gearbeitet.

© DKD Helios Klinik-GmbH
© DKD Helios Klinik-GmbH
Neubau Klinikgebäude 1970, Personalwohngebäude, Patientenhotel, Dialysezentrum 1984: Deutsche Klinik für Diagnostik, Wiesbaden | Braun & Schlockermann und Partner
in Zusammenarbeit mit Wolfgang Braun und Inge Voigt

Bereits 1967 hat das Büro Inge Braun und Wolfgang Braun (den jüngeren Bruder von Helmut Braun) als Partner aufgenommen. Das war die beste Voraussetzung für das erste Großprojekt des Büros. Es war die Deutsche Klinik für Diagnostik Wiesbaden 1969. Inge Braun und Wolfgang Braun hatten das Planungskonzept für die Klinik erarbeitet. Seither zeigte sich, wie ideal die vier Partner sich in den Aufgaben ergänzten, die ein Architekturbüro in den Planungs- und Ausführungsphasen zu leisten hat. Ein weiteres Großprojekt – der Wiederaufbau der Alten Oper als Konzert- und Kongresszentrum in Frankfurt am Main 1971 bis 1981 – festigte den Ruf des Büros, das schon in dieser Zeit viele weitere Planungsaufgaben in unterschiedlichsten Bereichen bearbeitete – und zwar in allen Phasen der HOAI, was heutzutage nicht zur Selbstverständlichkeit gehören mag. Was außerhalb der Pflichten eines Architekturbüros liegt, war im Architekturbüro Braun & Schlockermann und Partner ein besonders auffallendes Moment: Einige junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern holten sich hier ihr Rüstzeug für die eigene Bürogründung – und das nicht selten mit großem Erfolg. Es mag auch an der umgänglichen Art von Helmut Braun gelegen haben, auch jungen Talenten eine Chance zu geben.

© Gudrun Hensling im Auftrag der Stadt Halle
© Gudrun Hensling im Auftrag der Stadt Halle
Neubau Kongress- und Konzerthalle: Georg-Friedrich-Händel-Halle, Halle an der Saale, 1998 | Braun & Schlockermann und Köhler Planer und Architekten BDA · DWB

1990 gab es eine wesentliche Veränderung des Büros, es teilte sich einmal in Braun & Schlockermann und Partner und einmal in Braun & Voigt. Beiden Büros ist es nicht zum Nachteil geraten. Nach dem Tod von Martin Schlockermann hat es Helmut Braun verstanden, das Büro rechtzeitig auf die weitere Zukunft vorzubereiten. Er holte sich Tilman Lange als Partner, der heute das Büro unter dem Namen Tilman Lange Braun & Schlockermann Architekten führt. Helmut Braun hat sich, wie man zu sagen pflegt, um seinen Beruf verdient gemacht. Als BDA-Mitglied darf er zu jenen Beispielen einer Generation gehören, die die gestellten Aufgaben vorbildlich gelöst haben. Und als Vater, Großvater und Urgroßvater konnte er das auch privat vorleben. Helmut Braun verließ uns am 30. August 2023.

Nachruf von Hans-Ulrich von Mende