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Nachruf auf Prof. Peter Steiger (1928–2023)

8. September 2023

Peter Steiger, ehemaliger Professor für Entwerfen und Konstruieren am Fachbereich Architektur der TU Darmstadt, ist am 29. Juli 2023 im Alter von 94 Jahren verstorben.

Pionier für eine nachhaltige Architektur

„Auch der Begriff Umwelt ist insofern verfänglich, als sich der Mensch ins Zentrum stellt und wie von einem Podest das Panorama der selbstinszenierten Umweltzerstörung betrachtet. Vielmehr geht es ja um unsere eigene „Mitwelt“.“
Peter Steiger, 2002

 

Peter Steiger lehrte zwischen 1973 bis 1992 an der TU Darmstadt „Entwerfen und Konstruieren“ und ist einer der bedeutenden Pioniere für eine nachhaltige Architektur. Er faszinierte uns als Studierende durch seine höchst unkonventionellen Ideen und Strategien, die aber stets in konkreten Lösungen für den Entwurf und die Konstruktion mündeten.

Seine Laufbahn als Architekt spiegelte seine Persönlichkeit – unkonventionell und sehr spannend. Er erlernte sein „Handwerk“ im elterlichen Büro in Zürich und im Alter von 22 Jahren bei keinem Geringeren als Frank Lloyd Wright zwischen 1950 – 1952 in Taliesin West in Arizona/USA. Zurück in Zürich begann eine Phase der Zusammenarbeit mit seinem Vater Rudolf Steiger und seit 1969 auch mit seinem Bruder Martin Steiger. Es entstanden viele bedeutende Projekte und in seiner intensiven Auseinandersetzung mit Industriebauten gelangte er zu einem neuen Verständnis für modulare Bauten. Es folgten Lehrtätigkeiten an der ETH-Zürich und der University of Berkeley/California.

Die Ölkrise 1973 gab Peter Steiger Impulse für sein wissenschaftliches Engagement für den ökonomischen und ökologischen Einsatz von Baustoffen und der energieoptimierten Planung. In diesem Kontext plante und baute er zusammen mit Studierenden der TU Darmstadt ein Selbstbau- und Experimentierprojekt für Atelierräume unter Nutzung solarer Energie.

Peter Steiger war sehr technikaffin und gleichzeitig frei und kreativ, was uns nicht nur inspirierte, normierte Entwurfsstrategien zu hinterfragen, sondern auch unseren Forschergeist und unseren Mut zum Experiment weckte.

Sein aufrichtiges Interesse und Verständnis für unsere studentischen Ideen motivierten uns. Er war als Lehrender nahbar, authentisch, charismatisch, verständnisvoll und vor allem für uns jederzeit ansprechbar. Wenn er von seiner Leidenschaft für die Musik, über seine Bratsche, die er virtuos zu spielen vermochte, sprach, spürte man tiefe Emotionen und Sensibilität.

In seinen legendären Vorlesungen in gediegenem Schweizerdeutsch, gespickt mit Anekdoten, Metaphern, kreativen Analogien, vermittelte er uns visionäre Gedanken und lieferte gleich die dazu passenden konstruktiven und entwurflichen Umsetzungsstrategien mit. Nachdem man mehrfach herzlich über seine humorvollen Kommentare gelacht hatte, wurde im Nachgang zu seinen Vorlesungen klar wie ernst die Lage werden kann. Peter Steiger hat die Klimakatastrophe vorausgesehen.

Sein ganzes Wirken in Lehre, Forschung und als Experte sowie seiner Tätigkeit ab 1997 als Gründungsmitglied von intep im Büro für Integrale Planung war von tiefen Überzeugungen geprägt. Seine letzte Buchveröffentlichung in 2022 mit dem Titel „Architektur und Energie“ spiegelt gleichsam seinen aktiven Widerstand gegen „fossiles“ Denken und sein Engagement für eine zukunftsorientierte und sozial geprägte Bau- und Planungskultur.

Peter Steiger war ein Visionär, ein Vordenker und Vorbild, der seinen Überzeugungen mit Bodenhaftung und persönlichem Selbstverständnis als Architekt und mitfühlender Mensch folgte.

Wir trauern um den Verlust eines Freundes und einen hoch geschätzten Kollegen.

Nachruf von Prof. Anett-Maud Joppien am 17.08.2023

(Joppien hat zwischen 1981 bis 1985 bei Peter Steiger studiert und im Wintersemester 1984/85 ihre Diplomarbeit zum Thema „Schauspielakademie Wiesbaden“ bei ihm abgelegt.)