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UMBAU STATT ABRISS – Wie kann aus Funktionsbauten ein lebendiges Stadtquartier werden?

16. Oktober 2023

ARCHITEKTURWOCHEN NRW 2023
BESICHTIGUNG EHEMALIGE POLIKLINIK BONN

„So soll Stadtentwicklung sein“ – ein schöner zusammenfassender Kommentar einer Teilnehmerin des BDA-Rundgangs zur Nachnutzung der ehemaligen Medizinischen Poliklinik am Rande der Bonner Innenstadt: Bestandserhaltung und -ergänzung, Nutzungsmischung aus gefördertem und freifinanziertem Wohnen, Gewerbe und sozialer Infrastruktur, Entsiegelung, Photovoltaik – was will man mehr?

Die ehemalige Poliklinik Bonn | Foto: Michael Lobeck

Schneller hätte es vielleicht gehen können und noch sind es nur Pläne, die Nikolaus Decker von BauWerkStadt Architekten Bonn und Tim Geldmacher vom Projektentwickler Revitum den dreißig Teilnehmenden vorstellen können. 2012 hatte die Universität das Gebäude leergezogen, der Stadtrat hat 2013 einen Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan beschlossen sowie eine Vorkaufsrechtsatzung erlassen. Danach hat das Land NRW offenbar einige Jahre mit der Prüfung verbracht, ob es eigene Bedarfe für die Nachnutzung des Areals entdecken könnte. Nach einer Zwischennutzung als Unterbringung für Geflüchtete gab es Verhandlungen zwischen Stadt und Land zur Entwicklung. Schließlich wurde eine Verkaufsverhandlung mit der stadteigenen Bonner Wohnungsbaugesellschaft Vebowag ergebnislos abgebrochen – anscheinend, weil der geforderte Kaufpreis für die Wohnungsbaugesellschaft zu hoch war, um dort geförderten Wohnungsbau zu errichten.

Im Rahmen eines Bieterverfahrens hat Revitum aus Köln das Areal vom Land NRW erworben und sich im Kaufvertrag verpflichtet, die städtebaulichen Ziele der Stadt umzusetzen. Das Areal besteht aus einem langgestreckten Bau an der Wilhelmstraße. In der Straße liegen auch das Amts- und Landgericht Bonn, Gebäude aus der zweiten Hälfte des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. In diese Zeit fällt auch der Bau der alten Augenklinik, die zum Gelände der Poliklinik gehört. Ganz anders der größte Teil der Poliklinik, die aus den 60er Jahren stammt. Heute bilden deren Gebäudeteile einen Großteil des Karrees ab.

80 neue Wohnungen, ca. 150 Studierendenapartments und eine Kita sollen auf dem Gelände entstehen | Foto: Yola Thormann

Mehr als 80 neue Wohnungen und ca. 150 Studierendenapartments sollen auf dem Gelände entstehen, dazu eine viergruppige Kindertagesstätte. Auch die langfristige Unterbringung einer Diamorphinambulanz, die Heroinabhängige betreut und die seit 2002 in einem Nebengebäude der Klinik betrieben wird, ist nach einem Umzug in das alte Schwesternwohnheim sichergestellt. Der Umbau dieses Gebäudes wird auch den baulichen Start der Umgestaltung darstellen. Die bestehenden Lücken im Baublock werden durch Neubauten gefüllt, die das Areal abrunden.
Im Hauptgebäude der Poliklinik aus den sechziger Jahren sollen geförderte Studierendenapartments entstehen. Ein geplanter Dachgarten verspricht in dieser Innenstadtlage hohe Wohnqualität – wenn die noch vorhandenen Bedenken bezüglich Lärmimmission durch die nahe Straßenbahnlinie ausgeräumt werden können. Die ergänzenden Neubauten werden ebenfalls geförderten Wohnungsbau enthalten, ein Bestandsgebäude wird mit Büroflächen genutzt werden. In der von Anfang des letzten Jahrhunderts stammenden ehemaligen Augenklinik werden freifinanzierte Wohnungen entstehen, da die Vorschriften des geförderten Wohnungsbaus in dem Gebäude nicht umsetzbar seien, so Nikolaus Decker.

Der Wunsch des Stadtrats, an diesem Standort möglichst 100% geförderten Wohnungsbau zu realisieren, wird nicht ganz umgesetzt werden können. Neben der Diamorphinambulanz und dem untergeordneten Bürogebäude verbleiben ca. 80% der Fläche für Wohnungsbau, davon 75% gefördert. Diese weitgehend im Bestand realisierte Mischung, die planungsrechtlich durch ein Urbanes Gebiet abgebildet wird, ist für den zentralen Standort geradezu optimal.

Wenn dann noch der Innenhof weitgehend entsiegelt wird, die meisten Dächer Photovoltaik und Grün erhalten, und ein Mobilitätskonzept für ausreichend Radabstellplätze, Ladesäulen und Carsharing-Möglichkeiten u.a. in der unter den Neubauten entstehenden Tiefgarage sorgt, bleibt dem Kommentar vom Anfang nichts hinzuzufügen.

Michael Lobeck, promediare