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Trauer um Sirgrid Schaller

16. April 2024

„Es wird alles gut.“
Ein Satz, den die hallesche Architektin Sigrid Schaller mit trotzig-fröhlichem Lächeln gern gebrauchte und der wirkte: beim mürrischen Polier auf dem Bau ebenso wie bei Freundinnen und Kollegen in schwierigen Situationen, in DDR-Zeiten ebenso wie in denen des unverhofften Aufbruches in eine neue, demokratische Republik. Vielleicht waren es für die 1942 in Berlin Geborene das heile Überstehen der Bombennächte und die behütete Kindheit danach in thüringischer Natur nahe der Wartburg, die ihr zu dieser Gewissheit verhalfen.
In der Chemie-arbeiterstadt Halle wurde 1967 aus der Abiturientin und Möbeltischlerin an der „Hochschule für Industrielle Formgestaltung“ – der „Burg“ – eine junge, ambitionierte Architektin. Die ersten Jahre im BMK Chemie als „Projektingenieur“ bei großen Industrieprojekten dabei (ein Azetylenwerk in Halle, die Pouch-Zeltfabrik) wechselt sie 1978 als „Gruppenleiterin Entwurf“ in das WBK Halle. Im Kollektiv des späteren Stadtarchitekten Dr. Wulf Brandstädter gelingt zusammen mit Uwe Graul, Rüdiger Thäder u.a. ein Wettbewerbssieg und die Realisierung des innerstädtischen Plattenbau-Wohnquartiers „Brunoswarte“ – eine klare und mutige Planung unter den Zwängen der DDR-Wirtschaft, 1986 mit dem Architekturpreis der DDR ausgezeichnet. Weitere bemerkenswerte Wohn- und Geschäftshäuser entstehen, Selbstwirksamkeit einer sich immer auch als Kollegin verstehenden Architektin, Kreativität und Charakter – trotz Plattenbauraster. Sigrid Schaller gehört nach der friedlichen Revolution 1989/90 zu den ersten Architektinnen, die mutig den Schritt in die Freiberuflichkeit wagen und die bald Aufnahme in den BDA findet. Zusammen mit Ralf Niebergall zeichnet sie in den nächsten beiden Jahrzehnten für Kirchen, Altenpflegeheime, Denkmal-Sanierungen in Halle und der Region verantwortlich.
2007 führt sie das Architekturbüro allein weiter und geht bis ins hohe Alter täglich ans Werk. Über die besonders im halleschen Stadtbild zu erlebenden Bauten hinaus wird Sigrid Schallers zugewandtes, freundlich-offenes und großzügiges Wesen in Erinnerung bleiben, ihr herzhaftes Ermutigen und ihre Freude. „Alles ist schön“ – beim gemeinsamen Feiern wie im Rückblick auf Begegnungen, Erlebtes, Gebautes, auf ein wahrhaft reiches (Architektinnen-)Leben. Im Januar 2024 ist Sigrid Schaller im Alter von 82 Jahren in Halle an der Saale verstorben. „Es wird alles gut“.
Ein ermutigendes Wort, das wir heute dringend gebrauchen können.
Danke, Sigrid!

Matthias Dreßler