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Offener Brief zum Gebäudeeffizienzerlass

17. März 2021

Darcy Lawrey
Darcy Lawrey

BDA warnt vor „Abriss-Erlass“

Ein gut gemeinter politischer Erlass bedroht kulturelle (Bau-) Werte: Im Rahmen des sogenannten „Klimakabinetts“ wird ein Erlass vorbereitet, der zum massenweisen Abriss von intakten Gebäuden und deren Ersatz durch banale Neubauten führen wird – eben ein „Abriss-Erlass“, auch wenn er nicht so heißt, sondern „Gebäudeeffizienzerlass“.

Dieser Erlass wird bindend sein für die Behandlung von Gebäuden der Öffentlichen Hand auf Bundes- und wohl auch Länderebene. Warum nennen wir ihn Abriss-Erlass? Weil der Erlass isoliert auf Dämmwerte der Fassaden und den Energieverbrauch des Gebäude abzielt, nicht jedoch eine ganzheitliche Betrachtung eines Bauwerks über seine Nutzungsdauer einbezieht. Insbesondere bleibt die graue Energie, die im Bestand steckt, ebenso unberücksichtigt wie die Möglichkeit, schwächere Energieeffizienz-Werte von Bestandsgebäuden durch andere Bauten oder Bauteile zu kompensieren. Dass es bei Gültigkeit des Erlasses unweigerlich zu Abrissen intakter Substanz kommen wird, haben wir uns durch Fachleute bestätigen lassen.

Der Bund Deutscher Architektinnen und Architekten BDA beabsichtigt, nachdem zunächst Kontakte zu den drei involvierten Bundesministerien BMF, BMU und BMI ausgeschöpft wurden, am 19. März gemeinschaftlich mit den Architects for Future, der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen und der Deutschen Umwelthilfe mit dem angefügten Offenen Brief an die Öffentlichkeit zu gehen.

Siehe auch:

Gerhard Matzig, Baupolitik für Doofe. Süddeutsche Zeitung, 10. März 2021

Vier Fragen an Susanne Wartzeck: „Abrisserlass für öffentliche Gebäude“, FAZ, 19. März 2021

(BDA)

 

19. März 2021

Offener Brief an den Kabinettsausschuss Klimaschutz im Vorgriff auf den geplanten Gebäudeeffizienzerlass

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Angela Merkel,

sehr geehrte Frau Bundesministerin Svenja Schulze,

sehr geehrte Frau Bundesministerin Julia Klöckner,

sehr geehrter Herr Bundesminister Olaf Scholz,

sehr geehrter Herr Bundesminister Peter Altmaier,

sehr geehrter Herr Bundesminister Horst Seehofer,

sehr geehrter Herr Bundesminister Andreas Scheuer,

für die Architects For Future, den Bund Deutscher Architektinnen und Architekten BDA, die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen DGNB und die Deutsche Umwelthilfe haben Klimaschutz, Gebäudeeffizienz und Ressourceneinsparung im Gebäudesektor eine hohe Priorität. Daher begrüßen die Unterzeichner die ambitionierteren EU-Klimaziele für 2050, die jedoch entsprechende politische Rahmenbedingungen erfordern. Gemeinsam wenden wir uns im Vorgriff auf den geplanten Gebäudeeffizienzerlass an Sie als Mitglieder des Kabinettsausschusses Klimaschutz.

Die Vorgaben des geplanten Gebäudeeffizienzerlasses greifen unseres Erachtens viel zu kurz, da sich diese nahezu ausschließlich auf die Gebäudehülle und den Energieverbrauch in der Nutzungsphase konzentrieren. Unbeachtet bleiben dagegen wesentliche Einflussfaktoren auf die Klimabilanz des Gebäudes und seiner Nutzung wie beispielsweise Gesamtenergieverbrauch, ökologische Wirkungen von Bauprodukten, Energieversorgung, Kreislaufwirtschaftsprinzip und Gestaltqualität.

Aufgrund der Fokussierung auf die Gebäudehülle und den Energieverbrauch in der Nutzungsphase sowie der nur nachgeordneten Betrachtung der in den Bestandsgebäuden gespeicherten grauen Energie befürchten A4F, BDA, DGNB und die Deutsche Umwelthilfe, dass die engagierten klimapolitischen Ziele der Bundesregierung als auch die Klimaschutzinitiative der Europäischen Kommission verfehlt oder sogar konterkariert werden. Statt mit Instandhaltungs- und Sanierungsmaßnahmen die Gebäude und die mit ihnen verbundenen sozialen Nutzungen im Rahmen eines Quartieransatzes zu stärken, priorisieren die Planungsvorgaben und die Empfehlungen des Gebäudeeffizienzerlasses den Abriss und Ersatzneubau. Für eine solche Entscheidung bedarf es aber zwingend einer ganzheitlichen, nicht nur wirtschaftlichen und energetischen Bewertung des Bestandsgebäudes und des Neubaus; ansonsten werden historisch gewachsene Stadtbilder beschädigt oder zerstört, Ressourcen verschwendet und das Abfallaufkommen erhöht.

Mit dem Gebäudeeffizienzerlass sollte der öffentliche Bauherr seiner Vorbildfunktion beim achtsamen Umgang mit dem Gebäudebestand sowie bei der Entwicklung und Umsetzung ganzheitlicher Lösungen gerecht werden.

Daher fordern Architects for Future, BDA, DGNB und die Deutsche Umwelthilfe, dass der in Vorbereitung befindliche Gebäudeeffizienzerlass zu einem Bewertungs- und Planungsansatz umgestaltet wird, der auf dem Prinzip der Ganzheitlichkeit beruht und so den Verbrauch von Energie und Material zusammen bewertet und die ökologischen Wirkungen von Gebäuden über den gesamten Lebenszyklus betrachtet.