Die Institutionalisierung der Hospitalität – Lukas Großmann

Die scheinbar harmlose Thematik der Masterarbeit greift fundamentale Aspekte gesellschaftlicher Systeme auf, die gegenwärtig hohes Konfliktpotenzial entwickeln: Wie verhalten sich Gesellschaften hinsichtlich der Minderheiten und Randgruppen, die in ihnen leben? Und welche Konsequenzen sind für Architekturkonzepte und architekturtheoretische Ansätze daraus zu ziehen?

Diese Aspekte mit den Schwerpunkten „Hospitalität“ und „Institutionalisierung“ zu analysieren, weist auf eine Frage, die in der praxisorientierten Architekturtheorie immer wieder umstritten ist: Kann Architektur zur Veränderung der Gesellschaft beitragen? Und wenn: Wie?

Konkret geht es dem Autor um ausgegrenzte Gruppen wie Straffällige, Kranke, Arme, Fremde, „Irre und Narren“ – und die Institutionalisierung, die sich analog in Gebäudetypologien von Gefängnissen, Krankenhäusern, Armenhäusern, Flüchtlingsunterkünften und vielem mehr manifestiert.

Der Autor beginnt mit einer überzeugenden historischen Analyse von Hospitalität, ihrer Institutionalisierung und dienstleistungsartig folgenden Bautypologie seit der Antike. Dabei berücksichtigt er unterschiedliche Interessenslagen mit architekturtheoretischen Konsequenzen: Die Zusammenhänge, wie sie interpretiert und instrumentalisiert werden, sind in der Arbeit exzellent offengelegt.

Obliegt Architektinnen überlicherweise die Umsetzung fixer, nicht hinterfragter Raumprogramme, endet die Masterarbeit mit einer architekturtheoretisch relevanten These. Wie behandeln wir die eingangs genannten Minderheiten und Randgruppen? Herkömmliche Entwurfsprinzipien der Raumprogramm-Erfüllung sind zu hinterfragen, und es sind Optionen gegeben, mit denen durchaus Einfluss auf die Gesellschaftsstruktur genommen werden kann. Zum Beispiel im offenen Strafvollzug, in Integrationsprojekten, in flächendeckenden Betreuungseinrichtungen.

Der Anspruch, dass „diese Arbeit keine Revolution auslösen (wird), doch (…) einige neue Ideen in einen bestenfalls eingestaubten Diskurs einbringen“ wird, zeigt überraschend einfach, welche Relevanz Architekturtheorie in der Lehre und in gesellschaftlichen Debatten erreichen könnte.

Ursula Baus, Jurymitglied

Die vollständige Publikation Die Institutionalisierung der Hospitalität – Lukas Großmann finden Sie hier.