Foto: Norbert Miguletz

Preisträger „Große Häuser, kleine Häuser – Ausgezeichnete Architektur in Hessen“ 2008-2013
Preisträger BDA-Architekturpreis Nike 2013

Erweiterung Städel Museum, Frankfurt am Main

Frankfurt am Main

Foto: Norbert Miguletz

Erweiterung Städel Museum, Frankfurt am Main

Frankfurt am Main
Projekt
Erweiterung Städel Museum, Frankfurt am Main
Architekt
schneider+schumacher Planungsgesellschaft mbH; Baumanagement: schneider+schumacher Bau- und Projektmanagement GmbH
Bauherr
Städelsches Kunstinstitut, Frankfurt am Main

Der Neubau für das renommierte Städelmuseum schließt an den Anfang des 20. Jahrhunderts entstandenen Gartenflügel an, den ersten Erweiterungsbau des 1878 am Schaumainkai fertig gestellten Museumsgebäudes. Die großzügige neue Museumshalle wurde unterirdisch unter dem Städel-Garten platziert und die vorhandene Ausstellungsfläche so nahezu verdoppelt – von etwa vier- auf rund siebentausend Quadratmeter. Über die gesamte Oberfläche der doppelt gekrümmten Deckenschale verteilen sich 195 Oberlichter, deren Durchmesser von 1,50 Meter in den Randbereichen bis zu 2,50 Meter am höchsten Punkt variieren. Diese speziell für das Städel entwickelten „Augen für die Kunst“ sind von außen begehbar und versorgen den Ausstellungsraum mit Tageslicht, welches durch integrierten LED und Sonnenschutzvorrichtungen verstärkt oder abgeschwächt werden kann. Die Wärme- und Kälteversorgung der Ausstellungsräume erfolgt durch 36 Erdsonden.

www.schneider-schumacher.de

Beteiligte Fachplaner

Kuehn Malvezzi, Berlin (Architektur Sammlungspräsentation)
B+G Ingenieure Bollinger und Grohmann GmbH, Frankfurt am Main (Tragwerk)
Ulrike Brandi Licht, Lichtplanung und Leuchtenentwicklung GmbH, Hamburg
LKL – Licht Kunst Licht AG, Bonn
lebenbauen – Freiraum und Architektur, Frankfurt am Main
Keller + Keller Landschaftsarchitekten, Kronberg

Preisträger

„Große Häuser, kleine Häuser – Ausgezeichnete Architektur in Hessen“ 2008-2013 – Martin-Elsaesser-Plakette

Juryurteil

Ein dienender Raum für die Kunst ist hier entstanden, der sich zurücknimmt und – ein echtes Kunststück – ein richtiges Wahrzeichen geworden ist. Die Anbindung an das vorhandene Treppenhaus, baulich gefasst durch Johannes Krahn in den 1950er Jahren, ist mit einer neu interpretierten Steintreppe auf selbstverständliche und zugleich beziehungsreiche Weise gelungen. Der grandiose Hauptraum mit seinen nur zwölf filigranen Stützen ist – auch als Leistung der Ingenieure – eine große Geste, ohne sich gegenüber der Kunst in den Vordergrund zu spielen. Im Außenraum erhielt die Stadt einen charaktervollen Garten geschenkt.

Preisträger

BDA-Architekturpreis Nike 2013 – Nike für Neuerung

Auszeichnung für architektonische Positionen und städtebauliche Strukturen, die mit Kreativität und Ideenreichtum neue Antworten auf technische und gesellschaftliche Herausforderungen formulieren.

Es zählt zu den heitersten Architekturfotos überhaupt: das Bild eines Picknicks vor dem Städel Museum in Frankfurt am Main. Jung und Alt sitzen vergnügt auf dem sich zu einem Hügel aufwölbenden, durch Kreisflächen gerasterten Rasen. Erinnerungen an die Punkt-Arbeiten von John Armleder oder an Daniel Burens Intervention im Park des Palais Royal in Paris werden wach. Doch der Grasteppich, dessen Lochmuster perfekt zur strengen neuklassizistischen Gartenfassade des Städels passt, ist kein Kunstwerk, sondern das grüne Dach des neuen Ausstellungstrakts.

Das vom Semper-Schüler Oskar Sommer 1878 am südlichen Mainufer errichtete Städel Museum erlebte 1921 mit dem Gartenflügel und 1990 mit Gustav Peichls Westflügel bereits bedeutende Erweiterungen. Im Herbst 2007 führte dann der Wunsch nach einem Neubau für die Gegenwartskunst zur Ausschreibung eines internationalen Wettbewerbs, den die Frankfurter Till Schneider und Michael Schumacher für sich entscheiden konnten. Statt ganz naheliegend die von Gartenflügel, Peichl-Bau und Städelschule u-förmig gerahmte Grünfläche mit einem neuen Trakt an der Dürerstraße zur Hofrandanlage zu schließen, schlugen sie eine unterirdische, die offene Situation respektierende Erweiterung vor.

Um Katakomben-Atmosphäre zu vermeiden, waren zwei Punkte entscheidend: die Besucherführung und die Lichtregie. Schneider + Schumacher fügten ihren Museumstrakt direkt an den Altbau an und erschlossen ihn ganz logisch über die vom Haupteingang ausgehende Symmetrieachse. Beim Aufstieg zu den Ausstellungsgeschossen öffnen sich auf dem ersten Treppenabsatz zwei helle Rundbogengänge, die abwärts weisen ins silberglänzende Metzler-Foyer. Dort führt eine skulpturale, in Terrazzo gegossene Freitreppe weiter hinab in den 48 mal 55 Meter großen neuen Saal, dessen wie genoppt wirkende Decke sich zur Mitte hin aufwölbt. Die sechs bis acht Meter hohe wolkenweiße Grotte empfängt gefiltertes Tageslicht durch 195 ungleich schräg gestellte Bullaugen, die im Bereich der zentralen Flachkuppel größer werden. Hier tragen zwölf Stützen das perforierte Dach. Sie sind fast unsichtbar, weil sie in die Stellwände eingebunden sind, mit denen die weite Halle von Kühn Malvezzi labyrinthisch unterteilt wurde.

Der Gartensaal genannte Trakt bereichert das Städel Museum um eine formal, funktional und ökologisch neuartige Architektur. Seine äußere Erscheinung ordnet sich dem Stadtbild unter und verweigert sich dem allgemeinen Trend zum spektakulären Solitär, ohne auf eigenen Ausdruck zu verzichten. Und die bis auf die Decke ganz neutrale Halle bietet trotz unterirdischer Lage ideale Bedingungen für die Präsentation zeitgenössischer Kunst.

Laudator: Dr. Roman Hollenstein