Foto: BDA Berlin

Preisträger Daniel Gössler Belobigung 2016

Karoline Fahl – Atmosphäre am Werk

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Karoline Fahl – Atmosphäre am Werk

Projekt
Atmosphäre am Werk

Atmosphäre am Werk
Gernot Böhmes neue Ästhetik als Architekturästhetik

„Der Begriff der Atmosphäre stört den Architektur-Diskurs – er verfolgt diejenigen, die versuchen, ihm zu entkommen, und entgeht denjenigen, die ihm hinterherjagen.“  Marc Wigley formuliert hier zugleich Dringlichkeit und Schwierigkeit eines ästhetischen Phänomens, welches den Diskursraum der letzten zwei Jahrzehnte in der Architektur dominiert. Dieser Diskurs ist Ausdruck einer „prinzipiellen Ästhetisierung von Wissen, Wahrheit und Wirklichkeit“ – eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung, die Wolfgang Welsch als aesthetic turn begreift und das 20. Jahrhundert als das ästhetische Jahrhundert charakterisiert.

Gernot Böhme liefert mit der neuen Ästhetik eine Theorie, die dem Phänomen der Ästhetisierung Rechnung trägt. Wahrnehmungs- und Produktionsgegenstand der neuen Ästhetik ist die Atmosphäre. Als Paradigma der neuen Ästhetik transzendiert der Atmosphäre-Begriff die Grenzen der klassischen Ästhetik und greift bis in die aller alltäglichsten Sphären hinein. Damit gibt Böhme der Architektur einen Begriff, der die ästhetische Wirklichkeit des umbauten Raumes theoretisch zu fassen bekommt und eine produktive Ästhetik möglich macht. Ziel der Arbeit ist es Potentiale und Grenzen von Gernot Böhmes neuer Ästhetik als Architekturästhetik auszuloten.

Der erste Teil beginnt mit der Verortung der ästhetischen Philosophie von Böhme in den wissenschaftshistorischen Kontext um die wesentlichen Kontinuitäten [Baumgarten] und Brüche [Kant] im ästhetische Denken Böhmes offen zu legen. Der zweite Teil seziert den von Böhme ausgearbeiteten Atmosphäre-Begriff und zeigt die ontologischen Dimensionen des Phänomens auf. Die begriffliche Bestimmung der Atmosphäre wird mit Blick auf das Projekt einer Architekturästhetik um die Dimension des ästhetischen Raums erweitert. So stellt sich heraus, dass insbesondere die Wendung zum Räumlichen die neue Ästhetik als Architekturästhetik produktiv macht. Der dritte Teil fasst eine Rückschau auf die neue Ästhetik von Gernot Böhme aus der Perspektive der ästhetischen Praxis. Hier wird die Therme in Vals von Peter Zumthor als ästhetisches Lehrstück herangezogen und an ihm Böhmes Atmosphäre-Begriff nachvollzogen. Die Therme schafft zugleich einen Zugang zu dem ästhetischen Denken des Architekten, welcher wesentlich über die neue Ästhetik Böhmes in Richtung einer Werkästhetik im Bereich der Architektur hinaus denkt.

Die Arbeit schließt mit einer Diskussion, die gleichsam als Plädoyer für das Schöne und die Kunst gelesen werden kann. Gernot Böhmes neue Ästhetik wird mit Unterstützung von Heideggers Werk-Begriff und mit Blick auf eine Architektur-ästhetik kritisch diskutiert. Hier zeigen sich die Grenzen seiner Theorie für die Architekturpraxis und der Suche nach einer wie auch immer gearteten ästhetischen Wahrheit, die hinausführt aus der Beliebigkeit architektonischen Schaffens.

Preisträger

Daniel Gössler Belobigung 2016

Mit der Daniel Gössler Belobigung wurde die architekturtheoretische Arbeit von Karoline Fahl mit dem Titel „Atmosphäre am Werk“ ausgezeichnet. Ausgangspunkt der Arbeit ist der Begriff der Atmosphäre, der zwar in jüngerer Zeit eine publizistische Hochkonjunktur erlebt, doch im Sinne eines brauchbaren Denkwerkzeugs weithin unverstanden bleibt. Mit sprachlicher Klarheit und Eleganz klärt die Autorin über die erkenntnistheoretischen, ästhetischen wie auch ontologischen Implikationen des Begriffs der Atmosphäre auf, dessen Tragweite sie sowohl für die Rezeption wie auch für die Erzeugung von Architektur plausibel nachweist. Mit der Vergabe der Daniel Gössler Belobigung an Karoline Fahl möchte die Jury insbesondere auf die Relevanz begriffsanalytischer Ansätze im zeitgenössischen Architekturdiskurs hinweisen.

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