Thilo Ross

Preisträger BDA Architekturpreis Rheinland-Pfalz 2021

Werkstatt für behinderte Menschen und Medizinisches Versorgungszentrum

Neuwied-Engers

Thilo Ross

Werkstatt für behinderte Menschen und Medizinisches Versorgungszentrum

Neuwied-Engers
Architekt
Waechter + Waechter Architekten BDA PartmbB
Fertigstellung
2020
Mitarbeiter
Karina Gruber, Katharina Bell, Kristine Schnatwinkel, Lisa Matzdorff, Anita Majowski
Fotografie
Thilo Ross Fotografie
Bauherr
Heinrich-Haus gGmbH

Die neu errichtete Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) bietet körperlich und kognitiv beeinträchtigten Menschen ein breites Angebot aus angemessener Förderung, beruflicher Beschäftigung und medizinisch-therapeutischen Maßnahmen. Ergänzt wird der Standort durch ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ), welches die interdisziplinäre Versorgung sicherstellt. Das vorhandene Nord-Süd-Gefälle wird genutzt, um die Werkstatt und das Versorgungszentrum großflächig zu überlagern. Damit sind beide Nutzungen barrierefrei an die Neuwieder Straße und Am Hohen Rhein angebunden und im Inneren gleichberechtigt nutzbar.

Der neue Typus einer Werkstatt für behinderte Menschen ist gekennzeichnet durch die Verknüpfung der Bereiche Arbeiten und Rekreation. Durch das Doppelkammsystem mit versetzten ‚Häusern‘ entsteht ein lockeres, mit dem Außenraum verflochtenes Netz. Dieses zitiert die Kleinteiligkeit der zweigeschossigen Nachbarbauten und fügt sich mit klarer, zurückhaltender Architektursprache in die Vielgestaltigkeit der Umgebung. Die asymmetrischen Giebeldächer unterstützen die gewünschte Integration, so dass Inklusion auch im baulichen Sinne gelingt.

Das MVZ setzt ein markantes Zeichen an der Neuwieder Straße mit einem großzügig proportionierten Vorplatz und einem zur Straße hin zweigeschossigen Kopfbau. Die dreibündige Organisation der Arztpraxen im Kopfbau ermöglicht verschiedene Schaltungen mit dazwischen liegenden Nebenräumen. Die Wartebereiche der Therapiepraxen liegen geschützt in Nischen und Seitenarmen des verbindenden Flurs, jeweils mit unterschiedlichen Ausblicken in die Höfe der darunter liegenden Werkstatt. Durch die bewegten asymmetrischen Giebeldächer mit Oberlicht werden die Flure in den Häusern belichtet. Entlang der Haupterschließung entstehen abwechslungsreiche Raumerlebnisse bei denen Oberlicht und Seitenlicht wechselt. Aus der Holzbauweise ergibt sich die charakteristische, identitätsstiftende und bergende Atmosphäre des Hauses.

Preisträger

BDA Architekturpreis Rheinland-Pfalz 2021 – ANERKENNUNG

Der Umfang des Raumprogramms für das Gebäude der Werkstatt für behinderte Menschen und das medizinische Versorgungszentrum, das die Architekten hier gemeistert haben, ist beachtlich. Verwundert stellt man als Besucher fest, wie geschickt das große Gebäude auf dem langen, schmalen Grundstück in die Topografie gesetzt ist und sich durch seine zweiseitig versetzte Kammstruktur mit dem Umfeld verzahnt. 

Ein übergreifendes und auf verschiedenen Ebenen wiederkehrendes Thema des Neubaus ist die Vermittlung. Unangestrengt, selbstverständlich und sensibel vermittelt das Gebäude zwischen den Maßstäben der Ein- und Mehrfamilienhäuser und der im Umfeld angesiedelten Lagerhallen den beiden Adressen, den unterschiedlichen Niveaus und den verschiedenen Nutzergruppen in dem Gebäude. Dabei wirkt es seriös, selbstbewusst und angenehm unangestrengt, wenn es mit asymmetrischen Giebeldächern auf die kleinteilige Nachbarbebauung ebenso reagiert wie auf die größeren Baumassen entlang der Neuwieder Straße. Der markante Kopfbau mit dem medizinischen Versorgungszentrum fügt sich hier als neuer präsenter Baustein gut in die Körnigkeit des städtischen Gefüges ein und der Geländeversprung des Grundstücks wird geschickt zur barrierefreien Anbindung beider Eingänge genutzt. 

Repetition, Rhythmus und Varianz prägen die gut organisierte Grundstruktur des Gebäudes und ermöglichen einerseits eine leichte Orientierung und lassen andererseits vielfältige Platz und Weg-Situationen um das Gebäude herum entstehen. Die Werkstatträume wechseln sich mit hofartigen Freiräumen ab, dessen lebendigere Gestaltung der Architekten leider nicht umgesetzt wurde. 

Passanten können im Vorübergehen Einblicke durch die von den Architekten gesetzten Fensterbänder und übergroße Fensteröffnungen in den neuen Typus einer Werkstatt für Behinderte erhalten und so eine Verbindung zu den dort arbeitenden Menschen herstellen. 

Die hellen Innenräume mit ihren eleganten Massivholz-Rundstützen und schwebend wirkenden Dachflächen strahlen eine Leichtigkeit aus, die auch durch die gewählte Materialität und der zeitgenössischen und zugleich fröhlich dezenten Farbigkeit unterstützt wird. Fein detaillierte Oberflächen und Bauteile, hellgrüner Bodenbelag, weiß lasierte Holzoberflächen und weiße Akustikdecken kreieren eine freundliche Atmosphäre, in der sich gut leben und arbeiten lässt.