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Einfach intelligent: Bericht vom Y-Table-Talk im DAZ

9. September 2019

Leon Lenk
Leon Lenk
orange architekten BDA: Einfach gebaut

Nach „Achtung des Bestands“ im Juni hieß es nun am Y-Table „Einfach intelligent“: Eine neue Talkrunde im Deutschen Architektur Zentrum DAZ in Berlin widmete sich Anfang September wieder drei Projekten, die aus dem Aufruf „Houston, we have a problem. Ökologie und Verantwortung“ hervorgegangen sind. Im Mittelpunkt stand dieses Mal das Postulat IV des BDA-Positionspapiers „Das Haus der Erde“, eben jenes „Einfach intelligent“. Darin heißt es: „Die technische Aufrüstung zu ‚intelligenten Gebäuden‘ und das Übermaß oftmals ökologisch fragwürdiger Dämmmaterialien führen nicht zu langlebigen und energetisch nachhaltigen Bauten. Eine dem Klimawandel gerecht werdende Architektur nutzt und reguliert mit typologischen, konstruktiven und thermischen Strukturen die jeweiligen klimatischen Bedingungen für ein Wohlbefinden der Nutzer.“

Peter Tschada und Anna Weber (orange architekten BDA, Berlin) präsentierten mit „Einfach gebaut“ eine sortenrein rückbaubare Fassadenkonstruktion, und Benjamin Trautmann (Fachgebiet Entwerfen und Gebäudetechnologie der TU Darmstadt) zeigte, wie modulares Wohnen für Studierende mit Plus-Energie-Standard funktioniert.

Doch zunächst bot die Materialexpertin Susanne Sauer (Formade; Weißensee Kunsthochschule Berlin) Gelegenheit, neu über „Gebäude und Hülle“ nachzudenken. Die Professorin berichtete von Experimenten an der Hochschule, zum Beispiel mit Leichtbau-Natursteinelementen, „Betongarn“ oder einem Wetterschutz aus Ziegenhaaren aus dem Atlasgebirge. Ihre Erkenntnisse lassen sich so zusammenfassen: „Architektur neu denken als adaptive Hülle“ und „Natur einschließen statt sie abzuwehren“.

Anna Weber und Peter Tschada zeigten zum Aufwärmen Bilder vom Umbau eines denkmalgeschützten Umspannwerks zu einem Druck- und Medienzentrum aus den nuller Jahren. Das Budget war minimal, sodass auch Skurrilitäten wie „Ebay-Fenster“ verbaut werden mussten, die bei einer Internet-Versteigerung günstig erworben wurden, womit das vorhandene Material den Entwurf bestimmte – eine früher Parallele zu den aktuellen Recycling-Häusern aus der Juni-Veranstaltung. Beim Neubau in der Eckertstraße, einem Preisträger des BDA-Preises Berlin 2018, lag der Fokus auf der Trennbarkeit der Baumaterialien, die bereits bei der Konstruktion berücksichtigt wurde: textile Fassadenelemente, gesteckte und gedübelte Dämmung, Vollholzböden statt Estrich… Zwei Erkenntnisse gewannen die Beiden: „Das einfachste ist das schönste ist das schwierigste“ und „Eigentlich müsste man noch viel mutiger sein, als wir es da waren.“

Für kontroverse Diskussionen sorgte schließlich das Experimentalprojekt „Cubity“, ein seit 2013 temporär an verschiedenen Orten aufgestellter Forschungsbau zum studentischen Wohnen. Das von innen nach außen gedachte, im Stadtraum eher abweisend wirkende Gebäude nach dem „Haus-im-Haus“-Prinzip versucht den nicht erst seit Le Corbusier immer wieder ausgeloteten Antagonismus zwischen (großen) Gemeinschaftsräumen und (winzigen) Individualräumen im Sinne einer Klimaschutz-Architektur neu zu buchstabieren. Die (wenig) beheizten, zwei Geschosse hohen Gemeinschaftsräume im Zentrum der Struktur, hier als „Marktplatz“ bezeichnet, werden flankiert von kleinen Individualzellen von gerade mal sieben Quadratmetern Fläche, die gefühlt zur Hälfte aus einer privaten Nasszelle bestehen. Neben dem Bad, einem Bett und einer kleinen Bewegungsfläche dazwischen bleiben dem Bewohner noch ein Plätzchen auf dem „Balkon“ vor der Zelle, der allerdings durch eine matte, transluzente Kunststoff-Außenhaut einen klaren Ausblick verhindert.

Bei der wohnsoziologischen Auswertung des Experiments in Frankfurt wurden Probleme benannt: nicht ausreichender Schallschutz, zu niedrige Temperaturen auf dem „Marktplatz“, mangelnder Luftaustausch und dazu, wen wundert es, „übliche WG-Konflikte“.

Auf die naheliegende Frage, ob Bäder und Toiletten nicht besser platzsparend als zentrale Gemeinschaftseinrichtungen zugunsten größerer Wohnzellen hätten geplant werden sollen, kam die Antwort, dass der Wunsch der Nutzer nach einem eigenen Bad ganz oben gestanden habe. Ohne dieses hätten sich kaum Interessenten gefunden, hier einzuziehen. Das erklärte Ziel des Experiments, Standards zu hinterfragen, führte hier also zu einer kompromisslosen Zementierung üblicher (Wohlstands-) Standards. Benjamin Trautmann von der TU Darmstadt kommentierte im Sinne eines globalen Schlussworts: „Wir Menschen sind das Problem, die wir im Luxus leben.“

Benedikt Hotze