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Die Party ist vorbei: Impressionen vom 18. BDA-Tag in Chemnitz

14. Juni 2023

 

Till Budde
Till Budde
Leuchten aus dem Palast der Republik in der Chemnitzer Spinnereimaschinenfabrik: „Solche habe ich zuletzt in einer New Yorker Galerie gesehen als Spolie des besiegten Sozialismus!“ (Peter Richter)

Der Titel knallt natürlich erst einmal ganz schön rein: „Die Party ist vorbei!“ BDA-Präsidentin Susanne Wartzeck gibt in ihrem Grußwort in Chemnitz zu: „Das ist ein sperriger Titel, ich habe lange damit gerungen, ob wir ihn noch ändern sollten.“ Doch dann fällt ihr ein ähnlicher Filmtitel ein: „Die fetten Jahre sind vorbei“. Darin ist eine Guerrilla-Taktik zu sehen, Einbrecher hinterlassen Botschaften gegen die Kapitalisierung der Welt. Gegen das Wachstumsmodell. „Bescheidenheit ist der Schlüssel“, sagt Wartzeck. Es geht um den Beitrag der Architektur zur gesellschaftlichen Akzeptanz eines „Weniger“ der Ansprüche. Less is more: „Die Zeit ist reif, das ästhetische Mantra des Mies van der Rohe neu zu interpretieren“. In diesem Jahr wird der BDA 120 Jahre alt, damals gegründet „gegen die stumpfe Geistesarmut der Baupfuschertums“. 120 Jahre BDA, und die Party ist vorbei? „Wir werden sehen!“, sagt Wartzeck.

Michael Stötzer, Bürgermeister für Stadtentwicklung und Bau der Stadt Chemnitz, erläutert das Konzept für das europäische Kulturhauptstadtjahr 2025: „See the unseen – Entdecke, was schon da ist“. Er zitiert Ludwig Anzengruber: „Bescheidenheit ist der Beginn der Vernunft.“ 30 Projekte sind geplant für 2025, unter zwei Prämissen: Die Bürger entscheiden, und: Keine Neubauten! „Bescheidenheit lässt Spielräume zu, mit denen wir nicht gerechnet haben“, hat der Baubürgermeister erkannt. „Wir bauen keine Leuchttürme, aber wir werden das Leuchten in den Augen derer sehen, die es machen.“ Mit solchen Konzepten rennt Stötzner im Spinnbau offene Türen ein.

„Das Wenige und das Wesentliche“: Der Schriftsteller John von Düffel ersetzt die Bescheidenheit durch den Begriff der Askese und reflektiert die „Askese der Zukunft“ als die Kunst des Weglassens. Die beiden Maximen des Orakels von Delphi sind ihm da Leitschnur: „Erkenne dich selbst!“ und „Alles in Maßen“. Die Konzentration auf das Wesentliche bedeute die Erkenntnis, „wie wenig ich brauche“. In den Niederungen des Baugeschehens erschwere allerdings die „extreme Bürokratisierung eine echte Prioritätensetzung“.

Derart theoretisch unterfüttert, begibt sich der BDA-Tag dann in drei Panels auf die Suche nach der richtigen Umsetzung. Im ersten Panel geht es um die Ästhetik der Bescheidenheit und deren aktuelle Definition. Alex Pötzsch fasst zusammen: „Wir als Architekten müssen moderieren, zuhören, ausbilden, ausverhandeln. Wir müssen an dieser Stelle entschieden sein, nicht bescheiden!“ Florentine-Amelie Rost berichtet vom Panel „Kultur der Beständigkeit“: Wichtig sind Kommunikation, Reduktion und eine Kultur des Bestandserhalts. Im dritten Panel wurde die „Verantwortung des Kapitals“ verhandelt. Leona Lynen zählt eine Reihe von Maßnahmen auf: leistungslose Gewinne abschöpfen, verantwortliche Investment-Entscheidungen treffen, städtebauliche Verträge zum Bestandserhalt abschließen oder gemeinwohlorientierte Akteure zum Zuge kommen lassen. Aus dem Panel kommt die Anregung, eine Resolution des heutigen Tages an die Welt zu senden mit der Forderung nach einer sozial-ökologischen Transformation.

„Wein ins Wasser“ gießen möchte schließlich der Autor Peter Richter, und zwar in die „Mondscheinabfüllung aus dem Biomarkt“: „Was ist, wenn die Geste der Reduktion an den Bewohnern scheitert?“ In einem historischen Exkurs über die Hauszinssteuer der Weimarer Republik über das Wohnungsbauprogramm der DDR bis zur schrumpfenden Stadt der 1990er Jahre zieht der gebürtige Dresdner alle Register einer maliziösen In-Frage-Stellung der Prämisse und stellt fest: „Die Geste des Verzichts ist mit gehörigen Kosten verbunden, vor allem wenn sie von anderen getragen werden.“ Und das Motto des BDA-Tags bekommt bei Richter abschließend noch diesen Seitenhieb ab: „Die Party für beendet zu erklären, zu der die meisten auf der Welt noch nicht einmal eingeladen waren, ist ethisch fragwürdig!“

Benedikt Hotze

Programm des 18. BDA-Tags